Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
berühren konnten.
Dieser Augenblick der Schmach schien für Hazaar unendlich lange zu dauern. Als wäre die Zeit plötzlich stehengeblieben, harrten Sklaven und Schwarzmagier regungslos aus, die Münder teils geöffnet vor Staunen und ihre Köpfe in die Nacken gelegt, um das wundersame Bauwerk zu betrachten. Keinerlei Laut erfüllte den Stollen, bis die ersten Männer sich wieder regten. Einige der Sklaven wirkten verärgert und machten ihrem Zorn durch verhaltene Flüche Luft, andere blickten verängstigt zu Hazaar, in der Hoffnung, dass dieser seinen Zauber korrigierte und schließlich die Gänge in die lang ersehnte Freiheit doch noch aus dem Boden hervorkämen. Stattdessen betrat Zarfan den Stollen. Beinahe unbemerkt gesellte er sich in ihre Mitte und begann zu schreien: „Wer von euch hat das angerichtet?“
Als niemand antwortete, verständigte er sich raunend mit den anderen Schwarzmagiern. Keiner der Arbeiter konnte ihre leise Unterredung verfolgen, doch als sie verstummte und Zarfan sich wieder seinen Untergebenen zuwandte, duckten sich manche bereits in der Erwartung, nun fürchterlich bestraft zu werden.
„Wo ist der Junge?“, brüllte Zarfan.
Gwendol fühlte, wie sein Gesicht zu glühen begann. Einige der Magier wussten von seinen bescheidenen Zauberkünsten. Nachdem Rutam und Andakor ihren Schützling den Magiern im Berg überlassen hatten, beäugten ihn seine neuen Herren in der ersten Zeit mit Argwohn, der jedoch bald nachließ, als deutlich wurde, dass seine magischen Kenntnisse nicht ausreichten, um einen Ausbruchsversuch zu unternehmen. Trotz seiner Furcht fühlte Gwendol ein wenig Stolz darüber, dass ihm die Magier nun doch einen so mächtigen Zauber zutrauten. Zitternd verfolgte der Junge, wie seine Kameraden auf Zarfans Frage geschlossen mit einem Schulterzucken antworteten. Er sah sich um. Kaum Möglichkeiten, sich zu verstecken.
Die Magier schwärmten bereits aus, um nach ihm zu suchen. In dem allgemeinen Aufruhr bemerkte niemand, wie sich einige Steinchen aus dem merkwürdigen Zaubergebilde lösten, die, begleitet von feinen Staubwölkchen, von der Decke herab rieselten.
Erst als ein größerer Brocken des Mauerwerks herab fiel und mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlug, hielten sowohl Arbeiter als auch Zauberer inne, bevor sie sich schützend die Arme über die Köpfe hielten, denn nun stürzten in kurzer Folge Gesteinsfragmente auf sie herab. Regelrechte Lawinen aus dichtem Staub erschwerten den Menschen im Inneren des Berges das Atmen und ließen sie husten. Der Zauber zerfiel. Ein Nebel aus pulverisiertem Gestein legte sich über den Schacht.
Unter seinem Schleier irrten die Sklaven angsterfüllt umher, während viele der Magier aus dem Stollen flohen. Zwischen den aufgewirbelten Bestandteilen des sich auflösenden Labyrinths huschte Gwendol zunächst orientierungslos durch die Menge und ignorierte den Steinhagel, der mehrmals direkt neben ihm niederprasselte. Panisch blickte er in Richtung des Ausganges.
Doch dort hatten sich zwei Schwarzmagier untergestellt, die verzweifelt Zauberformeln in den Raum schrien, um dem herrschenden Chaos ein Ende zu setzen. Gwendol beeilte sich, außer Sichtweite zu gelangen. Er lief quer durch den Raum, bis er an die gegenüberliegende Wand stieß. An dieser Stelle war viel gearbeitet worden. Deutlich konnte Gwendol die Spuren der Hacken erkennen, die große Blöcke aus dem Stein herausgeschlagen hatten. Dazwischen sprang Gestein hervor, das nicht von Rubin durchsetzt war, und durch seine Form eine natürliche Treppe bildete.
Unwillkürlich begann Gwendol, daran hinaufzuklettern. Weiter oben führte ein Weg um den Stollen herum, in einer Höhe, die Gwendols dreifacher Größe entsprach. Gwendol hoffte, dass ihn keiner der Schwarzmagier erwartete, die sonst dort regelmäßige Wachgänge absolvierten. Nach einem kurzen Aufstieg hatte er sein Ziel erreicht. Nirgends befanden sich die schwarzen Wächter. Erleichtert schleppte sich Gwendol ein Stück weit den Gang entlang, ohne recht zu wissen, was er hier eigentlich suchte. Unter ihm lag alles in Staub, sodass ihn zumindest vorerst niemand entdecken würde, wenn er sich nur nah genug an die Wand drückte.
Als er auf einen schmalen Spalt im Felsen stieß, der Durchlass für gerade einen Menschen gewährte, schlüpfte er flugs hindurch und entschwand zwischen rot funkelndem Mineral in die geheimen Gänge des Drachenbergs.
XXV.
Als Ramin von Andakors Plan erfuhr,
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