Sklaven der Begierde
mal mehr halbwegs normal. Du hast mehr Geld als Gott. Oder wenigstens mehr Geld als Talel.“
„Na ja, in Wahrheit gehört es meinen Eltern. Aber ich werde es eines Tages wohl erben. Vierzigtausend Quadratkilometer, wenn man die beiden Gestüte in Maryland und Tennessee mitrechnet. Zweihundert Pferde im Training. Fünf- oder sechshundert Zuchtstuten und Jährlinge.“
Nora wandte sich ab und schaute aus dem Fenster. Sie hatte niemals im Leben so viel Grün gesehen. „Was wirst du denn mit diesem Riesenreich machen?“
Wesley schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. So wie mein Vater jeden Tag für all das schuftet, das ist der helle Wahnsinn. Er steht jeden Morgen um halb fünf auf – jeden Morgen, solange ich denken kann. Er sieht zwar kräftig und gesund aus, aber er hat mit Magengeschwüren zu tun, seit ich zehn war.“
„Verkauf es.“
„Was?“
„Verkauf das Ganze, sieh zu, dass du es loswirst, wenn du es nicht willst. Du bist in Connecticut auf’s College gegangen und hast mir nie auch nur ein Wort über dein Leben hier erzählt. Wir sind geritten, aber nur zum Spaß. Du willst Arzt werden, kein Riesengestüt leiten, stimmt’s?“
„Stimmt.“
„Dann verkauf es. Griffin hat die Pferde seines Großvaters verkauft. Und es nie bereut.“
„Unser Gestüt ist eine Legende. Und es gehört seit Generationen meiner Familie. Mein Vater ist davon besessen. Es ist sein Erbe.“
„Autos klauen und von der Mafia zusammengeschlagen zu werden ist das Erbe meines Vaters. Wes, nur weil unseren Eltern gewisse Dinge wichtig sind, heißt das nicht, dass diese Dinge auch unser Leben bestimmen müssen.“
Er schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht machen. Ich könnte mir niemals verzeihen, wenn ich The Rails verkaufen würde.“
„Was wäre denn die Alternative?“
„Keine Ahnung. Mom und ich haben darüber gesprochen. Sie meint, ich solle eine Frau heiraten, die sich mit Pferden auskennt, und sie das Gestüt leiten lassen. Dann könne ich tun, was ich will. Mom hat eine Pferdeallergie. Sie kriegt jede Woche Spritzen, damit sie überhaupt durch die Nase atmen kann.“
Nora lachte. „Ich mag deine Mom. Sie hat gute Ideen. Wir müssen eine Frau für dich finden, die auf diesen Mist steht, damit du Doktor spielen kannst.“
„Ich hätte aber lieber eine Frau, die auf mich steht.“
„Was hast du nur für verrückte Einfälle.“
Als sie in die Einfahrt zu Talels Farm einbogen, konnte Nora nicht an sich halten. Sie schnappte laut nach Luft.
„Was ist denn?“, wollte Wesley wissen.
„Wesley, das ist doch der helle Wahnsinn. Wohnt in Kentucky denn jeder in einem verfickten Palast?“
„Ich muss dich wohl mal mit nach Eastern Kentucky nehmen, sonst kriegst du völlig falsche Vorstellungen.“
Sie parkten vor einem gewaltigen Herrenhaus im Kolonialstil.
„Unstableside Farm?“ , sagte Nora. „Sehr witzig. Hier sieht nichts besonders wacklig aus. Talel hat ein bisschen zu viel Spaß mit seinem Englisch.“
„Er gibt seinen Pferden jedenfalls die lustigsten Namen. Unsere Pferde kriegen ihre Namen von Mom, und sie ist da sehr konservativ. Keinerlei BDSM-Anspielungen.“
„Ich würde gern einem Pferd einen Namen geben.“
„Wenn du hierbleibst, kannst du ab sofort alle Pferdenamen bestimmen.“
Er lächelte, und Noras Herz zog sich zusammen. An Sørens Liebe war sie so gewöhnt, dass sie sie kaum mehr registrierte. Sørens Liebe war wie der Himmel, groß und allgegenwärtig und verlässlich. Sie war ewig. Nora konnte sich eine Welt ohne Sørens Liebe zu ihr ebenso wenig vorstellen wie ein Universum ohne Sterne. Aber Wesleys Liebe … kam ihr so fremd vor, so neu. Sie würde eher den Ursprung des Universums verstehen als begreifen, wie dieser schöne, süße, unschuldige Junge dazu gekommen war, eine Frau wie sie zu lieben.
Wesley klingelte an Talels Eingangstür. Er hielt ihre Hand, während sie warteten.
„Wir können also einfach so hier reinfahren und an der Tür klingeln?“ Nora war schockiert über den Mangel an Sicherheitsvorkehrungen.
„Nein. Wir können nicht. Aber ich kann.“ Er grinste wieder, und Nora streckte ihm die Zunge heraus.
„Ist ja schon gut, ich hab’s kapiert“, sagte sie dann. „Kentucky gehört dir. Wenn wir wieder in New York sind, bringe ich dich mal dahin, wo nur ich uns Einlass verschaffen kann.“
„Muss das denn sein?“
„Muss was sein? Dahin gehen, wo du nur mit mir reinkommst?“
„Nein …“ Wesley lächelte nicht mehr. „Nach New
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