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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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Asche auf dem Boden, Asche an der Wand. Alles andere in bester Ordnung.
    Liebe deine Schwester .
    Das klang fast biblisch. Liebe deinen Nächsten. Liebe den Herrn, deinen Gott. Aber was bedeutete es? War es ein Befehl? Oder sollte es eine Art Unterschrift sein?
    In Liebe, deine Schwester .
    Der Rest des Zimmers war makellos. An diesem kleinen verschnörkelten Schreibtisch hatte Søren als Kind Englisch geübt. Seine Mutter hatte ihn ausschließlich auf Dänisch erzogen, eine subtile Form der Rache. Als sein – überwiegend abwesender – Vater eines Tages feststellte, dass sein fünfjähriger Bastard kein Wort Englisch verstand, schickte er Sørens Mutter zurück nach Dänemark. Fortan durfte im Haus nur noch Englisch gesprochen werden, jede andere Sprache war tabu. Kingsley fragte sich manchmal, ob das der Grund für Sørens Leidenschaft für Fremdsprachen war.
    Das Bücherregal neben dem Schreibtisch war gut bestückt mit vielen Kinderbuchklassikern in wunderschön gestalteten Ausgaben, allesamt derart perfekt erhalten, dass sie vermutlich heute ein kleines Vermögen wert waren. Die Bücher waren so gut wie neu, weil der kleine Marcus Stearns sie nicht angerührt hatte. Er las die Bibel. Shakespeare, Milton. Aber nicht George MacDonald oder C. S. Lewis. Einzig und allein die Werke von Lewis Carroll hatten seine Aufmerksamkeit erregt. Irgendwie passend, wenn man bedachte, wie besessen Carroll von der kleinen Alice Liddell und wie besessen die kleine Eleanor Schreiber von „Alice im Wunderland“ gewesen war.
    Durch das Fenster neben dem Regal blickte man auf gepflegte Rasenflächen. Das Grundstück grenzte an ein kleines Waldstück. Vor Jahren hatte Søren Kingsley anvertraut, dass er und Elizabeth sich oft in das Wäldchen zurückgezogen hatten, um den wachsamen Augen des Personals zu entgehen. Zwei Kinder, die im Wald spielten, was konnte es Unverfänglicheres geben. So unschuldig. Eine ländliche Idylle. Zum Glück hatten die Dienstmädchen nicht die leiseste Ahnung, was für schmutzige Dinge im Schutz dieser Bäume vor sich gingen.
    „Die Bäume …“ Kingsley trat ans Fenster und deutete über den Rasen hinweg zum Wäldchen.
    „Was ist damit?“ Søren machte immer noch keine Anstalten, sein altes Kinderzimmer zu betreten.
    „Wer auch immer in deinem Zimmer war, muss von dahinten gekommen sein. Durch die Türen hätte er nicht eindringen können, die sind verschlossen und durch eine Alarmanlage gesichert. Also ist er durchs Fenster geklettert. Und um die Kamera vorn an der Auffahrt zu umgehen, hat er den Weg durchs Wäldchen genommen. Das ist die einzige logische Erklärung.“ Kingsley drehte sich zu Søren um. „Wollen wir mal nachsehen?“
    Statt einer Antwort zog Søren sich in den Flur zurück. Kingsley folgte ihm die Treppe hinunter und zur Hintertür hinaus. Sie schritten schweigend über den Rasen.
    „Ich kann alleine gehen, wenn dir das lieber ist“, bot Kingsley an. „Ich weiß, dass das nicht gerade dein Lieblingsplatz ist.“
    „Das ist lange her, Kingsley. All das ist lange her. Wenn Elizabeth es ertragen kann, hier zu leben, dann werde ich einen einzigen Tag auf dem Gelände gewiss überstehen.“
    „Wann warst du das letzte Mal hier?“
    „Vor Jahren … zur Beerdigung meines Vaters.“
    „Bist du damals auch in deinem alten Zimmer gewesen?“
    „Ja. Mein Vater war tot. Es schien mir passend, das dort zu feiern.“
    Als sie das kleine Waldstück vor Sørens altem Fenster betraten, hörten sie auf zu reden. So wie der Boden aussah, war kürzlich jemand hier gewesen, aber ob es nun einer von Elizabeths Söhnen oder der Eindringling gewesen war, vermochten sie nicht zu erkennen.
    Ein paar Minuten lang streiften die beiden Männer schweigend durchs Dickicht. Schließlich erreichten sie eine Lichtung. Kingsley entdeckte Fußabdrücke, aber sie waren ziemlich klein. Wahrscheinlich stammten sie vom elfjährigen Andrew. Jedenfalls konnte nur ein Junge sie hinterlassen haben – oder aber eine sehr zierliche Frau.
    Kingsley legte den Kopf in den Nacken, schaute in die Bäume und atmete den Duft des Waldes ein.
    „Kiefern …“, murmelte er und nahm noch einen tiefen Zug von der sauberen, süßen Luft. Er schloss die Augen und war plötzlich wieder sechzehn Jahre alt. Er hatte an diesem Tag im Wald schreckliche Angst gehabt, noch mehr als heute. Vor lauter Angst war er tief hineingelaufen. Aber er war nicht etwa so schnell gerannt, um davonzukommen, sondern nur, um die Spannung, die

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