Sklaven der Begierde
angetan? Sag’s mir, dann töte ich ihn und bringe dir sein Herz, damit du es essen kannst.“
So viel Loyalität, so viel Freundschaft und ehrliche Wut. Kingsley hätte ihm am liebsten den Kopf gestreichelt wie einem treuen Hund. Feiner Junge .
„Es geht mir gut, Christian.“
„Du siehst aber nicht so aus.“
Kingsley drehte sich auf die Seite und lächelte den hübschen jungen Christian an, der ihm auf einmal vorkam wie ein Freund, von dem er sich bereits vor langer Zeit verabschiedet hatte.
„Ich habe mich nie im Leben besser gefühlt.“ Und das war keine Lüge.
Der innere Frieden währte, bis er in Portland angekommen war. Dort, im Haus seiner Großeltern, wurde ihm Sørens Abwesenheit erst richtig schmerzlich bewusst. Nachdem sie ihre … Beziehung oder was auch immer es war vollzogen hatten, war Søren davongegangen und hatte ihn auf dem Waldboden liegen lassen. Das machte Kingsley nichts aus, im Gegenteil, es war genau das, was er sich wünschte. Mit seinen Wunden allein zu bleiben und mit seiner Liebe. Er war glücklich, dass Søren ihn gebrochen hatte, aber er wollte nicht, dass er ihn so gebrochen sah. Als er seine zerrissene Kleidung zusammensuchte, war er allein. Als er Blut spuckte und sein Abendessen halb auskotzte, halb aushustete, war er allein. Als er versuchte, sich aufzurichten und hart auf seinen Knien landete, war er allein. Nach dem dritten Versuch gab er die Sache mit dem Gehen auf und kroch durchs Unterholz zurück zur Schule. Auf den Stufen der Kapelle brach er zusammen. Father Henry fand ihn dort, und der alte Priester musste seine ganze Kraft aufbieten, um Kingsley aufzuheben und auf die Krankenstation zu tragen.
„Was ist los, Sohn?“, hatte Father Henry ihn gefragt. „Kingsley, lachst du etwa?“
Aber jetzt, zu Hause und viele Stunden von Søren entfernt, der in der Schule geblieben war, fühlte Kingsley die Zweifel kommen, die Angst. War es wirklich passiert? Ja, es war passiert, seine inzwischen heilenden Wunden waren der Beweis. Aber würde es wieder passieren, wenn er zurückkam? Und was war es überhaupt?
Sex. Das war es. Er hatte noch nie solchen Sex gehabt, und falls sich das Ganze wiederholen sollte, müssten sie wirklich einen Weg finden, es zu tun, ohne Kingsley dabei komplett auseinanderzureißen. Den Schmerz hatte er genossen, allerdings würde er das Ganze schon gern überleben, um wieder und wieder gefickt werden zu können. Aber der Sex war nur der kleinste Teil dessen, was sich zwischen ihnen entwickelt hatte.
Søren – Kingsley hatte sich angewöhnt, den Namen auf Papierschnipsel zu schreiben, dann ein Streichholz anzuzünden und an das Papier zu halten. Er lächelte, wenn der Name verbrannte. Das Ritual tröstete ihn irgendwie. Er hatte gesehen, wie Søren vor der Kapelle kleine Kerzen anzündet hatte und dann mit gesenktem Kopf stehen geblieben war. So fühlte es sich an, Sørens Namen zu verbrennen – wie ein Gebet.
Søren – dass er ihm den Namen anvertraut hatte, schien viel wichtiger, viel bedeutungsvoller zu sein als der Sex. Alle an der Schule nannte ihn Stearns, außer den Priestern, die Mr Stearns zu ihm sagten. Sein Taufname war Marcus. Das wusste jeder, auch wenn keiner je wagte, ihn so zu nennen. Aber Søren war sein echter Name. Kingsley hatte keine Ahnung, warum das so war. Und es war ihm auch egal. Im Grunde war ihm alles egal – außer Søren wiederzusehen.
Während des Sommers tat Kingsley alles, was in seiner Macht stand, um seine Großeltern davon zu überzeugen, dass es ihm gut ging, dass was immer ihm am Ende des Schuljahrs geschehen war, keinen bleibenden Schaden angerichtet hatte. Er nahm seinen ausschweifenden Lebenswandel wieder auf und traf sich mit all seinen alten Freundinnen. Während der Ferien war es leicht, die eifersüchtigen Liebhaber und zornigen Brüder zu meiden, die ihm während seiner Zeit an der Portland Highschool das Leben zur Hölle gemacht hatten. Jeden Abend holte ihn eine andere bezaubernde junge Dame ab. Sie ließen das Kino ausfallen – und das Restaurant und alles andere. Stattdessen parkten sie das Auto an einem lauschigen Ort, und dann ging es auf dem Rücksitz zur Sache. Aber nur auf dem Rücksitz. Susan wollte einmal eine Decke auf dem Boden ausbreiten und unter dem Sternenhimmel mit ihm schlafen. Kingsley weigerte sich. Sex unter Sternen war für Søren reserviert. Er behauptete, dass es überall Giftefeu gebe. Susan beugte sich seinem überlegenen Wissen und spreizte ihre Beine stattdessen
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