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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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abfallende Schlucht überblicken konnte.
    „Mon dieu …“ , flüsterte er. Das konnte doch nicht sein, nach all dieser Zeit. Und doch: Da war es.
    „Sie wird immer noch benutzt.“ Søren blieb hinter ihm stehen. „Sie haben sie renoviert. Jetzt ist es recht komfortabel da drin.“
    „Unser Versteck?“ Er spürte in seinem Herzen einen Anflug der alten Liebe, und er verzieh Søren gerade genug, um sich ein Lachen zu erlauben.
    „Unser Versteck. Aber du weißt ja, dass es uns nicht wirklich gehörte. Wir haben es nur für uns beansprucht.“
    Ganz unten in der Schlucht stand eine winzige Hütte, aus Stein gebaut. Vor hundert Jahren waren die ersten Jesuiten in die Wildnis Maines gekommen. Sie hatten erst eine Kapelle gebaut, dann Unterkünfte und schließlich dieses Häuschen für Father Charles, der ein Schweigegelübde abgelegt hatte.
    „Recht komfortabel …“, wiederholte Kingsley. „War ja klar, dass sie mit der Renovierung warten würden, bis wir das Ding nicht mehr brauchten. Mein Gott, was war das für ein Höllenloch.“
    Søren lachte leise. „Oh ja. Aber perfekt für unsere Zwecke.“
    „Oui“ , stimmte Kingsley zu. „Parfait.“
    Als Kingsley damals in die Schule zurückgekehrt war, hatten sie sich so oft es ging in der Hütte versteckt, um ungestört ihren verbotenen Gelüsten nachgehen zu können.
    Kingsley riss sich vom Anblick des kleinen Häuschens los, in dem er vor so vielen Jahren seinen Körper Søren hingegeben hatte. Ungefähr hundert Meter dahinter ragte ein großer moosbedeckter Fels auf. Kingsley starrte ihn eine volle Minute lang an. Erst als er eine Hand in seinem Nacken spürte –eine sanfte Berührung, freundlich und ohne Hintergedanken – blinzelte er und schaute weg.
    „War es hier?“ Søren ließ seine Hand sinken. Kingsley vermisste sie von der Sekunde an, in der sie weg war.
    „Oui . Genau da. Sie ist so hart aufgeschlagen …“ Er unterbrach sich und schluckte. Er blinzelte wieder, um das Bild des zerschmetterten Körpers seiner Schwester zu vertreiben. „Ihr Gesicht …“
    „Je sais“ , flüsterte Søren. Ich weiß .
    Natürlich wusste er es. Marie-Laure war Kingsleys Schwester. Aber als sie starb, war sie Sørens Frau gewesen.
    Marie-Laure … gerade zwanzig Jahre alt … eine Ballerina in Paris.
    „Wir haben sie umgebracht, mon père.“
    „Ich habe dich vor langer Zeit von jeder Schuld freigesprochen, Kingsley. Du musst lernen, dir selbst zu vergeben.“
    „Sie hatte kein Gesicht mehr, als sie gefunden wurde.“ Er drehte sich zu Søren um. „In den Augen der Welt bin ich attraktiv, du bist attraktiv, deine Eleanor ist schön … aber wir alle sind gar nichts, verglichen mit dem, was Marie-Laure war. Ich, ihr eigener Bruder, konnte manchmal meine Augen nicht von ihr abwenden. Neben ihrem Antlitz verblasste alles andere. Und als sie starb, als wir sie umbrachten …“
    Sie hatte kein Gesicht mehr gehabt. Überhaupt keins. Der Aufprall auf den Felsen hatte ihren Schädel zertrümmert und ihr Gesicht komplett zerstört. Sie konnte nur anhand ihres Eherings identifiziert werden.
    „Sie rannte weg. Sie stürzte. Keiner von uns hat sie gestoßen.“ Sørens Stimme war immer leiser geworden, und er kam einen Schritt näher. Gott, wie gern würde Kingsley vom Grat zurücktreten und sich an Søren pressen, ganz fest in ihn hinein. Einmal, als sie Teenager waren und gemeinsam im Wald standen und in den Nachthimmel blickten, hatte Søren seine Arme von hinten um Kingsleys Brust gelegt. Eine schlichte, gedankenlose Geste, nicht mal besonders liebevoll, nur besitzergreifend. Und sie hatte Kingsleys Seele gerettet. Um so etwas noch einmal mit Søren erleben zu dürfen … würde er sein Vermögen verdreifachen und dann jeden einzelnen Cent weggeben.
    „Sie hat dich geliebt“, flüsterte er. „Und sie hat mir vertraut.“
    Und sie hatte sie gesehen.
    Zusammen.
    „Komm“, sagte Søren. „Wir sollten zurückgehen.“
    „Geh du nur.“ Kingsley lächelte. „Ich bleibe noch einen Augenblick.“
    Søren ließ seine Hand durch Kingsleys langes Haar gleiten, packte es mit leichtem Griff und gab es dann wieder frei. Er wandte sich zum Gehen.
    „Selbstverständlich.“
    Als er allein auf dem vorspringenden Grat stand, ließ Kingsley seine Augen von dem Felsen, auf dem seine Schwester gestorben war, wieder zu ihrem ehemaligen Versteck wandern. Sie hätten da drin sein sollen, er und Søren. Dann hätte Marie-Laure sie nicht gesehen …
    Alles, was Kingsley sich

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