Skulduggery Pleasant -1- Der Gentleman mit der Feuerhand
untergehende Sonne, dann zurück zu Stephanie.
„Falls du jemanden schreien hörst“, sagte er, „bin ich das.“
Er fuhr mit der Hand über das Schloss, und es brach. Danach öffnete er eine Hälfte des Oberlichts und kletterte über den Rand. Sie schaute zu, wie er darin verschwand, und hörte das leise Sirren, als er sich mit der handbetriebenen Steuerung seines Sicherheitsgürtels hinunterließ.
Stephanie setzte sich mit dem Rücken an den Baumstamm und hielt Ausschau nach ... sie hatte keine Ahnung, wonach sie Ausschau halten sollte. Nach irgendetwas Ungewöhnlichem. Sie runzelte die Stirn. Was fiel eigentlich noch unter den Begriff „ungewöhnlich“? Dann hörte sie auf einmal ein beunruhigendes Ratschen. Sie schaute auf.
Der Draht, den Skulduggery am Lüftungsschacht befestigt hatte, wurde zum Oberlicht hin gezogen.
Erschrocken beobachtete Stephanie, wie er immer weiter zum Rand hin rutschte. Bald würde er verschwinden. Der auf Druck reagierende Boden fiel ihr ein, sie sah Skulduggery vor sich, wie er herunterkrachte und sämtliche Alarmanlagen im ganzen Haus auslöste und wie die Vampire herbeigerannt kamen und ihn schnappten. Er konnte ihnen zwar kein Blut bieten, aber sie würden zweifellos eine andere Möglichkeit finden, ihn für sein unbefugtes Eindringen ins Museum zu bestrafen.
Der Draht rutschte weiter, und Stephanie wusste, dass sie keine Wahl hatte.
Sie kroch denselben Ast entlang, von dem aus Skulduggery gesprungen war. Er ächzte unter ihrem Gewicht. Um sich nicht viel zu dick vorkommen zu müssen, sagte sie sich, dass Skulduggery schließlich nur aus Knochen bestand.
Vor ihr klaffte noch immer die riesige Lücke.
Stephanie schüttelte den Kopf - das schaffte sie nicht. Ausgeschlossen, dass sie da hinüberspringen konnte. Wenn sie Anlauf nehmen könnte, hätte sie vielleicht eine Chance, doch von ihrer kauernden Haltung am Ende eines frei hängenden Astes aus? Sie schloss die Augen und verbannte alle Zweifel aus ihrem Kopf. Du hast keine Wahl, sagte sie sich. Es ging hier nicht darum, ob sie springen konnte oder springen wollte. Skulduggery brauchte sie, und er brauchte sie jetzt, folglich ging es darum, was passierte, wenn sie endlich sprang.
Also sprang sie.
Sie schnellte nach vorn, und der Boden weit unter ihr bewegte sich, und das Gebäude flog auf sie zu - dann ging es abwärts. Ihre rechte Hand berührte die Dachkante, und ihre Finger krümmten sich, und ihr übriger Körper knallte gegen die Mauer. Sie wäre fast abgestürzt, hätte sie nicht die linke Hand zur rechten hochschießen lassen und sich festgehalten. Zentimeter um Zentimeter zog sie sich nach oben, bis sie einen Arm aufs Dach legen konnte und bald darauf in Sicherheit war. Sie hatte es geschafft.
Der Draht rutschte wieder ein Stück weiter. Gleich würde er vom Lüftungsschacht gerissen werden, dann war alles vorbei. Sie rannte hinüber, packte den straff gespannten Draht und versuchte, ihn auf den Boden zu drücken. Ohne Erfolg. Sie stand auf und versuchte, den Draht mit dem Fuß hinunterzudrücken. Ebenfalls ohne Erfolg. Sie schaute sich nach etwas Schwerem um, sah die Tasche und schnappte sie sich. Nichts darin außer noch mehr Draht.
Sie holte ihn heraus, kniete sich hin und knüpfte ihn an den, der mit dem Sicherheitsgürtel verbunden war. Ihr Vater hatte ihr, als sie noch klein war, alles über die Kunst des Knotenknüpfens beigebracht, und obwohl sie sich an die Namen der meisten Knoten nicht mehr erinnerte, wusste sie doch noch, welcher Knoten für diesen Zweck der geeignete war.
Nachdem sie den neuen Draht angeknüpft hatte, suchte sie nach einer geeigneten Stelle, um ihn irgendwo zu befestigen. Direkt vor ihr war noch einmal ein Oberlicht. Sie lief hin, schlang den Draht um die Einfassung aus Beton und hatte ihn gerade verknotet, als das ursprüngliche Drahtende sich mit einem Knall vom Lüftungsschacht löste. Es gab einen Ruck, als der neue Draht sich spannte, aber er hielt stand.
Stephanie lief zu dem offenen Oberlicht und schaute hinunter. Skulduggery schwebte knapp über dem Boden und versuchte, nach dem plötzlichen Fall in der Senkrechten zu bleiben. Er hielt die Steuerung für seinen Sicherheitsgürtel noch in der Hand, hatte jedoch beide Arme zur Seite hin ausgestreckt, um das Gleichgewicht halten zu können, sodass er nicht in der Lage war, sich selbst wieder nach oben zu hieven.
Neben dem Oberlicht lag eine zweite Steuerung. Sie war über ein Kabel, das sich um den Draht herum durchs
Weitere Kostenlose Bücher