SLAM (German Edition)
beschritten hatte.
Warum war er nicht auf dieser Düne gestorben? Warum hatte sie nicht im Augenblick ihres Triumphs dies em grausamen Spiel ein Ende bereitet, in dem sie ihn im Wisse n um sein Versagen hatte verlöschen lassen? Sterben mit der Erkenntnis, nichts mehr an dem ändern zu können, was er falsch gemacht hatte. Sie hätte ihn mit dieser Last vor seinen Schöpfer schicken können , und keine Entschuldigung der Welt h ätte ihn vor der Hölle bewahrt.
» Şeytan! «, gurgelte er und spürte, wie sich wieder die Wut seiner bemächtigte. Warum lebte er noch? Konnte sie ihn am Ende gar nicht töten? Gab es tatsächlich etwas, was ihr unmöglich war?
BEY! Das musste es sein. Ein bitteres Lachen stieg in ihm auf. Erinnerungen an seine letzten Gespräche mit dem alten Mann flackerten wie Nebelfetzen durch sein Hirn. Sein Mentor hatte ihm erklärt, dass HAVVA2 ihn schon unzählige Male zugrunde gerichtet hätte, und doch war er immer zurück gekehrt. Weil sie mich brauchte , hatte er gesagt. W as aber, wenn das nur ein Teil der Wahrheit war und HAVVA2 BEY gar nicht endgültig hatte vernichten können?
Es gab so ungeheuer viel, worüber er nachdenken musste, so viele lose Fäden lagen vor ihm, denen es nachzugehen galt , um das Mysterium dieser grausamen Existenz zu entschlüsseln und einen Weg aus dem Chaos zu fin den . Ungeschickt paddelte er um seine eigene Achse und suchte einen Punkt, an dem er sich orientieren konnte, aber alles , was sich vor ihm auftat, war mannigfaltiges Leben unter Wasser, in dem er si ch wie ein Störenfried vorkam. Er konnte nicht hierbleiben. Er brauchte Zeit, auch wenn ihm klar war, dass er nicht viel davon hatte.
»Das Herz des Wissens« erschien vor seinem inneren Auge, heimelig, warm, gemütlich, sicher. Hier würde es sich wunderbar nachdenken lassen, hier hatte er Zugang zu allen Informationen, die er benötigte, um seine nächsten Schritte zu planen, hier kannte er sich aus …
» Şeytan! «, brüllte es in seinem Geist, und er schüttelte den Kopf so heftig, dass es in seinen Ohren rauschte. Sie ha tte noch lange nicht aufgegeben! Nach wie vor versuchte sie, seine Entscheidungen zu beeinflussen, sich in sein Hirn zu drängen, um ihm fals che Alternativen aufzuzeigen. Keine dieser verlockenden Möglichkeiten durfte er wählen, alle würden zum gleichen Ergebnis führen: Zum Schluss wäre alles verloren und alle, die er liebte , wären verraten.
Wo war ein Ort, an den er sich zurückziehen konnte? Wo konnte er sich Gedanken machen , ohne dass sie ihn restlos unter Kontrolle hatte?
Wo versteckst du dich, wenn die Sonne dein Feind ist?
Im Schatten!
Er durchbrach die Wasseroberfläche und nahm mit einem Stöhnen ein en kräftigen Atemzug . So schnell er konnte, schwamm e r ans Ufer, fiel auf Sand und vertrocknete Palmenblätter und pumpte pfeifend Sauerstoff in seine brennenden Lungen. Minutenlang fühlte er nur die köstliche Luft in seinen Körper zurückkehren , die seine Zellen mit neuer Energie füll t en. Das Rauschen in seinen Ohren wurde schwächer, bis es vom sanfte n Raunen des Wüstenwindes endgültig ab gelöst wurde .
Die Sonne stand bereits tief und tauchte die Oase erneut in kupferfarbenes Licht. Der Duft langer Sonnenstunden lag noch in der Luft, aber die schwere Süße des beginnenden Abends schlich sich schon in den sengenden Geruch des Tages. Karim hob sein mit Sand bedecktes Gesich t und stand dann mit schwerfälligen Bewegungen auf. Die l ang gezogene n Schatten der Bäume verdunkelten das Wasser d er Wüsteninsel, und außer ihren herabwedelnden Zweigen rührte sich scheinbar nichts. Ein Blitzen zwischen den Büschen erregte jedoch unvermittelt seine Aufmerksamkeit. Nach einigem Zögern ging er vorsichtig darauf zu .
Wie eine Sp hinx lag die metallene Reitapparatur in den Strahlen der untergehenden Sonne und begann bei seinem Anblick leise zu surren. Erleichtert ließ Karim die Luft aus seinen Lungen strömen und stellte amüsiert fest, dass er sie die ganze Zeit über ange halten hatte. Er t ätschelte freundschaftlich den Rücken des drolligen Maschinentiers , worauf er ein wohl iges Klicken zur Antwort bekam.
Es war also tatsächlich dieselbe Oase, in der er mit Hayat die Nacht verbracht h atte. Nach wenigen Minuten fand er die Überreste ihres gemeinsamen Lagers. U nter der Plane, die Schutz vor der gleißenden Sonne bot, zeugten die Reste ihres Lagerfe uers von der Mahlzeit, die seine Geliebte ihm zubereitet hatte. Sein Magen begann bei
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