Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Hathaway
Vom Netzwerk:
auf denen Sophies Schulfoto zu sehen ist, Luft zu.
    Der Sarg steht vorne, flankiert von großen weißen Kerzen und Liliensträußen. Zum Glück ist er geschlossen. Ich weiß nicht, ob ich ihren Anblick noch einmal ertragen könnte. Meine Schwester schluchzt leise neben mir. Ich halte ihre Hand.
    Ein schlanker Mann in dunkelblauem Anzug geht nach vorn und tritt vor den Sarg, die Hände knapp über dem weißen Holz, ohne es zu berühren. Er bleibt einen Augenblick ehrfürchtig stehen, und alle versuchen, nicht hinzusehen. Hinter mir flüstert jemand, er sei Sophies Vater. Er dreht sich zu uns um, seine Unterlippe zittert, aber er fasst sich und kann ein selbstgeschriebenes Gedicht vortragen.
    Fast alle haben die Köpfe gesenkt, um ihm Zeit für seine Trauer zu lassen, doch ich sehe mich um und hoffe, einen der Verdächtigen zu entdecken. Ich möchte sehen, wie derjenige auf all das reagiert.
    Nachdem der Mann mit seinem Gedicht fertig ist, spielt eine alte Frau in der Ecke Klavier. Ich murmele, ich müsste zur Toilette, und quetsche mich irgendwie aus unserer Reihe, ohne zu stolpern.
    Ich nehme eine Tür, die in ein kleineres Zimmer mit einem blauen Sofa und einem Tisch führt, auf dem Schachteln mit Papiertaschentüchern bereitstehen. Es gibt einen Getränkeautomaten und einen Wasserkühler. Die Türen zu beiden Seiten führen in die Toiletten. Ich gehe zur Damentoilette und lege das Ohr an die Tür. Ich höre ein seltsames Geräusch, es klingt fast wie eine Hupe.
    Ich drehe den Knauf und öffne die Tür einen Spalt breit. Ich schaue hinein, um zu sehen, von wem das schreckliche Geräusch kommt. Amber Prescott ist auf dem Boden zusammengebrochen, einen Streifen Toilettenpapier in der Hand.
    Ich schlüpfe hinein und schließe die Tür hinter mir. Dann setze ich mich ihr im Schneidersitz gegenüber. Ich sage nichts, schaue sie nur an. Ich sitze da und atme. Und warte.
    Amber hört lange genug auf zu weinen, um zu sehen, wer mit ihr im Raum ist, doch dann schluchzt sie noch lauter als zuvor. Ich an ihrer Stelle hätte »Verschwinde!« gebrüllt. Ich tue gar nichts, sondern lasse mich von ihren heftigen Gefühlen überfluten. Obwohl sie wirklich am Boden zerstört wirkt, frage ich mich doch, wie viel schlechtes Gewissen dabei ist. Schlechtes Gewissen, weil sie ihre beste Freundin zerstört hat.
    Als ich gerade mit dem Gedanken spiele, ihr einen Becher Wasser zu holen, hört sie auf zu weinen. Mit dem Toilettenpapier wischt sie sich die Wimperntusche aus dem Gesicht. Ich stehe auf und drehe das Wasser für sie auf, dann trete ich beiseite, damit sie sich das Gesicht waschen kann.
    Sie spricht nicht mit mir, sondern wirft mir nur einen dankbaren Blick zu, bevor sie die Tür öffnet und hinausschlüpft. Ich schaue in den Spiegel, betrachte das Mädchen mit den schwarzen Bändern in den pinken Zöpfen und empfinde nur Scham. Amber mag Sophie zerstört haben, aber ich habe danebengestanden und zugesehen. Ich wusste, dass Amber und Mattie etwas Furchtbares planten und habe nichts getan, um sie davon abzuhalten.
    Als ich die Tür aufmache, bemerke ich etwas Silbernes auf dem Boden. Ich bücke mich und erkenne einen winzigen Diamantohrring – wie Amber sie immer trägt. Ich hebe ihn auf und eile aus der Toilette, um sie noch zu erwischen, aber sie ist nirgendwo zu sehen. Also stecke ich den Ohrring in die Tasche.
    Die Trauerfeier ist zu Ende, die Leute bilden kleine Gruppen in der Eingangshalle.
    Ich entdecke Mattie bei einigen Cheerleaderinnen, die sich gerade kollektiv umarmen, aber Rollins ist nirgendwo zu sehen. Also gehe ich nach draußen. Wie erwartet steht er ein Stück entfernt und hält die Zigarette diskret hinter dem Rücken.
    »Alle sagen, dass Sophie schwanger war«, sagt er, nimmt einen raschen Zug und versteckt die Zigarette wieder.
    Ich nicke. »Ja. Das hat der Polizeibeamte gestern auch erwähnt.«
    »Hast du eine Idee, wer der Vater sein könnte?« Rollins stößt eine Rauchwolke raus.
    »Ich habe einige Theorien. An erster Stelle kommt Scotch Becker.«
    Rollins lässt die Zigarette fallen und zermahlt sie mit dem Absatz. »Arschloch.«
    »Das kannst du laut sagen.«
    Ich zucke zusammen, als sich eine Hand auf meinen Rücken legt. Ich drehe mich um und sehe Matties tränenüberströmtes Gesicht.
    »Können wir fahren?«, frage ich. Mattie hat vorhin gesagt, sie wolle nicht zur Beerdigung. Sie wolle nicht sehen, wie Sophies Sarg in die Erde gesenkt wird. Ich kann es ihr nicht verdenken.
    »Eigentlich möchte

Weitere Kostenlose Bücher