Small World (German Edition)
man den Lift. Dann Schritte auf dem Gang.
»Was will der wohl?« murmelte Konrad. Mehr zu sich als zu Rosemarie.
Als es klingelte, zuckte er zusammen. Rosemarie öffnete.
Thomas Kochs Nase war zart und fein geschnitten und wirkte ein wenig deplaziert in dem fleischigen Gesicht. Er trug einen Blazer und einen Rollkragenpullover aus weinrotem Kaschmir, der seinen kurzen Hals noch dicker erscheinen ließ. Er hatte glänzende, eng beieinanderliegende Augen und roch nach Alkohol. Er nickte ihr knapp zu und wandte sich direkt an Konrad.
»Kann ich dich sprechen?«
»Natürlich. Komm herein.«
»Unter vier Augen.«
Konrad schaute Rosemarie an.
»Ihr könnt ins Wohnzimmer.«
»Mir wär’s lieber, wir gingen irgendwohin.« Thomas ließ keinen Zweifel daran, daß das nicht als Wunsch zu verstehen war.
Konrad warf Rosemarie einen hilfesuchenden Blick zu. Sie runzelte irritiert die Stirn. Thomas wartete.
»Ich zieh mir nur schnell die Jacke an.«
Konrad verschwand im Schlafzimmer. Rosemarie gab Thomas die Hand. »Ich heiße Rosemarie Haug.«
»Thomas Koch, freut mich.«
Dann warteten sie stumm, bis Konrad wieder aus dem Schlafzimmer kam. Er hatte sich eine Krawatte umgebunden und trug eine zur Hose passende Leinenjacke.
»Gehen wir«, sagte er und folgte Thomas zum Lift.
»Ciao«, rief ihm Rosemarie nach. Vielleicht etwas spitz.
»Ach ja, ciao!« Konrad blieb stehen, schien noch einmal zurückkommen zu wollen, um sich richtig zu verabschieden, bemerkte, daß Thomas schon beim Lift stand, und folgte ihm.
Rosemarie sah, wie er Thomas die Lifttür öffnete, ihm den Vortritt ließ und beflissen den Knopf drückte. Die Lifttür schloß sich, ohne daß Konrad noch einmal zu ihr zurückgeschaut hätte.
Thomas hob belustigt die Augenbrauen, als Konrad ein »Perrier« mit Eis und Zitrone bestellte. Er selbst bestellte einen doppelten »Tullamore Dew«, ohne Eis und ohne Wasser, seinen Depressionsdrink.
Charlotte hatte Konrad empfangen mit einem leicht vorwurfsvollen »auch mal wieder im Land«, aber sofort begriffen, als er etwas Alkoholfreies bestellte. Sie hatte schon viele aufhören gesehen. Das ging vorbei.
Die Bar des Des Alpes (den alten Zeiten zuliebe und weil sie, jedenfalls für Thomas, günstig lag) war leer bis auf die Hurni-Schwestern. Roger Whittaker sang Don’t cry, young lovers, whatever you do . An einem Tischchen in einer Nische hielt Tomi seinen Monolog, Koni hörte zu.
»Du weißt ja, wenn sie einen andern haben, sehen sie plötzlich besser aus.«
Koni nickte.
»Ich habe gar nichts dagegen, wenn sie sich ab und zu einen anlacht. Du weißt, ich bin ja auch nicht gerade…«
Koni nickte.
»Behandelt mich wie das letzte Arschloch. Zitiert mich in die Bibliothek. Teilt mir mit, sie will sich scheiden lassen.«
Koni nickte.
»Nicht: teilt mir mit – setzt mich davon in Kenntnis.«
Koni nickte.
»Nicht: sie will sich scheiden lassen. Sie läßt sich scheiden. Punkt.«
Thomas Koch trank das Glas leer und hielt es in die Höhe. »Wie heißt sie?« fragte er.
»Charlotte«, flüsterte Koni.
»Charlotte!« rief Tomi.
»Damit ich es nicht vom Anwalt erfahre. – Charlotte!«
Die Barfrau kam mit einem neuen Glas. Ohne aufzublicken hielt ihr Tomi das leere hin.
»Würdest du dir das gefallen lassen?«
Koni schüttelte den Kopf.
»Weißt du, was die im Monat für Kleider ausgibt? Nur für Kleider?«
Koni schüttelte den Kopf.
Tomi nahm einen Schluck. »Ich auch nicht, aber das sag ich dir: verdammt viel. Du mußt sie dir nur anschauen.«
Koni nickte.
»Besonders jetzt. Wenn sie einen andern haben, sehen sie immer besser aus. Absichtlich. Um dich fertigzumachen.«
Koni nickte.
»Die mache ich auch fertig. Die wird sich noch wundern, was das Leben kostet.«
Konrad Lang, der einzige der Beteiligten, der wußte, was das Leben kostet, nickte.
»Die mach ich fertig.« Tomi machte ein Zeichen mit dem leeren Glas in Richtung Bar.
Als Charlotte den Whisky gebracht hatte, fragte er: »Fährst du noch Ski?«
»Eigentlich nein, nach Aspen habe ich aufgehört.«
1971, in der Krise seiner zweiten Scheidung, hatte Thomas Konrad aus dem Fundus geholt, war mit ihm nach Aspen gejettet und hatte ihn dort neu eingekleidet und ausgerüstet. Die beiden hatten früher beim selben Skilehrer Unterricht, und Konrad hatte sich in den vielen Wintersaisons in St. Moritz zu einem leidlichen Skifahrer (und ängstlichen Skeletonfahrer) entwickelt. Er hatte damals schon nach ein paar Tagen wieder eine ganz gute
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