Smart Magic
unten erwische, prügel ich dich windelweich. Und dabei kannst du dir schon mal überlegen, wie du künftig das Doppelte von dem nach Hause bringst, was du bislang hergeschafft hast. Offenbar liegt dir das Stehlen doch im Blut, da kannst du auch endlich für Kost und Logis bezahlen.«
Noch einen Herzschlag lang hielt Tom dem Blick des Alten stand, dann zog er trotzig die Nase hoch und wandte sich ab. Der Widerstand, der ihn gerade noch beflügelt hatte, fiel in sich zusammen, und die ganze Situation schien ihn förmlich zu erdrücken.
Ohne einen Blick zurück ging Tom durch die Küche. Er konnte den Alten hinter sich spüren, hasserfüllt, grausam, aber er ging so langsam, wie er nur konnte. Erst als er um die Ecke bog und die Treppe hochging, fing er an zu zittern. Beinahe hätte er sich hinsetzen müssen, so weich wurden ihm die Knie, aber er schaffte es noch, sich an der Wand abzustützen, und kam irgendwie bis in sein Zimmer.
Alex sah ihn mit großen Augen an. Tom versuchte, cool zu bleiben, doch er konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ohne Alex’ Blick zu erwidern, warf er sich auf sein Bett und biss die Zähne zusammen.
Es war spät in der Nacht, aber Tom konnte nicht schlafen. Er lag auf seinem Bett, immer noch in den Klamotten, in denen er gestern von dem Alten nach unten gerufen worden war, und starrte an die Decke. Seine Tränen waren längst versiegt. Der Schmerz und die Scham darüber, geschlagen worden zu sein, waren vergangen. Zurückgeblieben war nur eine Gewissheit: Hier konnte er nicht bleiben.
Tom wusste plötzlich, dass er dem Alten die Münze niemals geben würde. Denn selbst wenn er es täte, wäre das kein Ausweg. Solange er hierblieb, würde der Alte sein Leben bestimmen. Der Entschluss war also da, und als er ihn traf, erkannte Tom, dass er schon lange in ihm gereift war. Es gab kein Zurück mehr. Bei dem Alten konnte er nicht bleiben, auch wenn er sonst keinen Ort hatte, an den er gehen konnte.
Abrupt stand er auf und begann, leise seine Sachen unter dem Bett hervorzuziehen. Er nahm seinen Schulrucksack vom Stuhl, holte die Hefte und Bücher heraus, schob sie unter das Bett und begann, den Rucksack mit seinen Sachen zu füllen.
»Was machst du da?«, fragte Alex leise. Tom zuckte zusammen, hob die Schultern und erwiderte: »Ich packe.«
»Wieso, willst du verreisen?«
Tom drehte sich um. Von draußen fiel ein wenig Licht in das Zimmer, und er konnte Alex’ Gesicht sehen.
»Ja, nach Ibiza an den Strand, Blödmann. Nein, ich verschwinde von hier.«
»Alter, das kannst du nicht machen.« Alex setzte sich auf. Er klang nicht nur besorgt, sondern beinahe panisch. »Gib dem alten Sack doch einfach das Ding zurück, dann geht es schon irgendwann vorbei.«
»Das geht niemals vorbei. Verstehst du das denn nicht? Solange wir hier sind, geht das nicht vorbei.«
»Wir können hier abhauen, wenn wir volljährig sind. Wir suchen uns ’ne Bude und hängen da ab.«
»Das sind noch Jahre«, erwiderte Tom. »Ich bleibe aber nicht noch jahrelang hier. Eher bringe ich mich um.«
Er stopfte weiter Sachen in den Rucksack. Klamotten, einen USB -Stick, zwei Ladegeräte, seine wenigen Besitztümer eben.
»Und was willst du machen? Du bist dann nur eine kleine Ratte da draußen. Lebst auf Platte, oder was?«
»Ich hab noch Geld versteckt. Damit komme ich erst mal über die Runden. Und dann? Mal sehen.«
»Das ist total bescheuert«, erklärte Alex ernst. Aber er schnappte sich seine Cargohose und kramte in den Taschen. Er hielt Tom etwas hin.
»Für dich. Mehr habe ich nicht hier.«
Tom nahm die Geldscheine entgegen. Er schluckte.
»Danke.«
»Bleib in Kontakt, klar? Ich ruf dich morgen an. Enno kennt Leute, bei denen kannst du unterkommen.«
»Ich weiß schon, wo ich schlafe«, erwiderte Tom. »Ich kenn da eine leer stehende Wohnung in Kreuzberg. Da bleibe ich die nächsten Nächte.«
»Okay, aber das sind nur ein paar Tage. Du brauchst Kohle und so weiter. Freunde. Das ist nicht so einfach, wie du denkst.«
»Jo, ich weiß.« Tom schlüpfte kurz ins Bad und warf eine Zahnbürste, Shampoo und Seife in eine Plastiktüte. Dabei hoffte er inständig, dass niemand ihn hörte.
Eigentlich wollte er sich noch einmal bedanken und verabschieden, aber Tom fehlten die Worte, als er in das Zimmer zurückkam. Auch Alex schwieg. Ein letztes Mal überprüfte Tom den Rucksack, ob er auch alles dabeihatte, dann schob er seinen MP3 -Player, sein Handy und sein Taschenmesser in die Jackentasche, nahm
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