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SMS für dich

Titel: SMS für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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das vielleicht?»
    Sven erschrickt fürchterlich und drückt nun tatsächlich ganz schnell die Gabel des Telefons runter.
      ***
    Den gesamten Rest des Tages versucht Sven, seine Gedanken zu sortieren. Wieder und wieder fragt er sich, warum ihn diese fremde
     Person so sehr beschäftigt. Und weil er keine befriedigende Antwort findet, beschließt er, die ganze Sache nun noch gründlicher
     anzugehen.
    Er beginnt die zahlreichen Nachrichten von Lilime in eine Word-Datei zu tippen und alle Fakten, die sich daraus ergeben, fett
     zu markieren. Danach druckt er die drei DIN-A4- Seiten aus und steckt sie ein. Für die Analyse braucht er Ruhe.
    Er fährt mit dem Rad nach Hause, öffnet eine Flasche Weizenbier, legt die Pink-Floyd-Scheibe auf, die noch immer neben seinem
     Plattenspieler liegt, und setzt sich aufs Sofa, die Füße auf den Tisch gelegt.
    Also, was weiß ich eigentlich von dieser Frau?, grübelt er. Ich weiß, dass sie derzeit kaum Gründe zum Lachen, dafür aber
     wohl einen Sinn für Romantik hat. Außerdem gibt es da einen Opa, den sie sehr liebt. Sie malt Mondbilder und tanzt gerne.
    Noch einmal liest Sven die Nachricht, die letzte Woche irgendwann spätnachts gekommen war:
     
    |85| Ich will jetzt tanzen, tanzen, tanzen. Kommst du tanzen, bitte, sofort? Ich will dich endlich wieder sehen, hören, riechen,
     schmecken und fühlen. Vor allem fühlen.
     
    Sven überlegt, ob diese Frau sein Interesse weckt, obwohl oder gerade weil er so wenig über sie weiß. Diese Geschichte lädt
     einfach zu Gedankenreisen ein in das Leben einer Unbekannten, deren Liebe auf eine seltsame Weise unerfüllt und doch so hoffnungsvoll
     scheint. Ihre tiefen Gefühle hinterlassen einen unerschütterlichen Eindruck bei ihm. Dennoch spürt Sven, dass ihn diese Melancholie,
     die zweifelsohne in allen Nachrichten mitschwingt, irgendwie betroffen macht. Er fragt sich, ob Lilime für ihn so etwas wie
     ein Wink des Schicksals sein soll, seine Einstellung zum Thema Frauen etwas geradezurücken.
    Mit Fiona hat er zu Beginn der Beziehung auch etliche Nachrichten per SMS oder Mail ausgetauscht. Erst im Laufe der Monate
     stellte sie diese Gewohnheit ein, zumal Sven auch irgendwann nicht mehr wusste, was er ihr mitteilen könnte. Meist beredeten
     sie alles am Telefon oder bei ihren Treffen, sodass ihm jegliche Kommunikation in der Zwischenzeit eher lästig als sinnvoll
     erschien.
    Sven hat noch immer Lilimes Stimme im Ohr. Auch wenn es nur wenige Worte waren, die er heute vernommen hat, ist er sicher,
     dass ein «Ich liebe dich» aus ihrem Mund ganz anders klingt als von Fiona. Anders, als er diesen abgenutzten Satz in Erinnerung
     hat.
    Sven nimmt einen weiteren Schluck und stellt seine Anlage aus, die längst stumm geworden ist. Er hat ein ungutes Gefühl und
     weiß nicht so recht, warum. Fühlt er sich eigentlich einsam? Bis heute hat er sich das nie gefragt.
    |86| Bei der weiteren Durchsicht seiner Notizen merkt Sven, dass Lilimes Ton in den letzten Tagen deutlich weniger von Traurigkeit
     und Sehnsucht geprägt ist. Immerhin weiß er inzwischen auch, dass sie irgendwas mit Werbung zu tun hat und darin zwar erfolgreich,
     aber nicht besonders glücklich zu sein scheint. Außerdem leben in ihrer Welt eine Clara, eine Katja, eine Karin, ein Knut,
     ein Theo, ein Carsten sowie eine Oma und ein Opa. Vieles dreht sich um tiefsinnige Fragen und Spekulationen. Lilime scheint
     einen Mann zu vermissen, den sie liebt, aber doch nicht haben kann. Vielleicht arbeitet er in der Nordsee auf einer Bohrinsel,
     spekuliert Sven, oder er unternimmt eine Forschungsreise am Nordpol, schließlich hat Lilime in den Nachrichten des Öfteren
     von «da oben» gesprochen.
    Vielleicht ist der Adressat aber auch einfach gar nicht existent. Vielleicht ist er tot, liegt im Koma oder ist so eine Art
     Phantasiegestalt. So etwas wie ein Traummann, den sich Lilime entworfen hat, um ihrem tristen Alltag zu entfliehen, der nur
     aus nervtötenden Kunden, sinnfreien Kampagnen, verhaltensgestörten Kollegen und zu vielen Überstunden zu bestehen scheint.
     Und die Telefonnummer hat sie sich einfach ausgedacht. Vielleicht hofft sie, dadurch ein spannendes Abenteuer zu erleben,
     wie ein kleines Kind, das voller Spannung und Erwartung eine Flaschenpost ins Meer wirft.
    Andererseits scheint Lilime nicht wirklich naiv oder pubertär zu sein. Ihre Sprache wirkt sehr erwachsen, wenn auch manchmal
     etwas überheblich. Aber sie ist offenbar ohnehin eine Person mit

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