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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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schwersten Löffel der Welt. Die tentakelbesetzten Säulen waren eingestürzt; von nun an würde die sagenumwobene Krakenform der Kirche nur noch in Reiseführern aus der Sowjetzeit weiterleben und auf der Rückseite des 100-Absurdi-Scheins (= US -$ 0,001).
    Ich stand auf und ging Richtung Ufer; ausgerechnet in den Ölschlierendes Kaspischen Meeres wollte ich mir das Blut vom Gesicht waschen. Ich setzte meine Schritte mit Vorsicht, denn überall lagen verzweifelte Menschen mit Verletzungen unterschiedlicher Schweregrade. Da wusste ich noch nicht, dass das Hyatt und die Bürogebäude vor dem nachmittäglichen Angriff mit schultergestützten Raketen und Artillerie evakuiert worden waren. Die meisten Opfer waren Flüchtlinge aus Gorbigrad und vom Land, die auf den unteren Plateaus Schutz gesucht hatten. Ich wich den Blicken der Menschen aus, die sich noch immer instinktiv an den Boden kauerten und sich leise wiegten. Rund um mich herum hatte die Szenerie ein vollkommenes Gleichgewicht der Verzweiflung erlangt: Die einen verbluteten still, die anderen taumelten auf der Suche nach Wasser und irgendeiner Form der Hilfe von oben herum.
    Ich bewegte mich auf die Hafenanlagen zu, die Sonne ging über den Ölfeldern gerade auf oder unter, man konnte es nicht genau sagen. Eine Frau in den Vierzigern näherte sich. Sie hatte Goldzähne und sprach mit deutlich russischem Akzent. »Wie kommen wir aus diesem Kreis heraus?«, fragte sie mich, die Stimme so weich und schwer wie der Busen, den sie stolz vor sich herschob. »Diesem Karma, das uns auferlegt wurde?«
    »Gute Frage«, sagte ich und blickte auf zu den Resten der Hochhäuser auf dem »Plateau International«. Ich mochte ihr nicht sagen, dass ich nie so recht an Karma geglaubt hatte und mir sicher war, dass die meisten Ereignisse direkt auf diskret von Individuen unternommene Schritte zurückgehen, von Kapitalgesellschaften und Staaten. Aber wie sollte man das einem einfachen Menschen vermitteln, ohne wie ein Klugscheißer zu klingen?
    Die Frau folgte meinem Blick hinauf zum Rumpf des zerstörten Daewoo-Gebäudes. »Ach die«, sagte sie. »Die Ausländer sind mir eigentlich egal. Unser Leben wird mit ihnen die Hölle sein und ohne sie auch. Soll ich dir meine Geschichte erzählen?«
    »Äh«, sagte ich. Mein
lanza
-High ließ nach, und am liebsten hätte ich gleich weitergekifft.
    »Keine Sorge, sie ist nicht lang. Ich sehe ja, dass du ein wichtiger Mann bist und in der ganzen Stadt erwartet wirst. Also, ich habe imEisenbahnministerium 30 Dollar im Monat verdient. Bis der Zugverkehr eingestellt wurde. Dann wurde mein Sohn zum Sevo-Militär eingezogen, bevor er seinen Abschluss machen konnte. Dabei sind wir von der Abstammung her Russen. Was kümmert es uns, ob die Sevo oder die Svanï den Krieg gewinnen? Und dann hat mein Mann mich verlassen. Ich wollte wieder heiraten, aber es sind keine normalen Männer mehr übrig. Wenn sie einen guten Mann kennen, sagen Sie mir Bescheid.« Sie sah meine gut gefütterte Gestalt von oben bis unten an und strich sich verführerisch das rötliche Haar zurück. Hielt sie mich für einen guten Mann? Von ihrer Warte aus war ich vielleicht einer. Aus Höflichkeit versuchte ich mir vorzustellen, wie ich ihr den Rock über die Hüften zog und sie von hinten nahm, aber in mir rührte sich nichts. Wo war überhaupt meine Nana? Daheim, in Sicherheit, vermutete ich. Umgeben von bewaffneten Männern.
    Ein kleines Mädchen kam gelaufen und klammerte sich an das Bein der Frau. Es war in dem Alter, in dem alle Kinder geschmeidig und selbstsicher wirken, ein gebräuntes Sommergesicht, ein Knoten aus strohblondem Haar unter einer Haube. Und doch hatte ihr Lächeln etwas Feindseliges und Verschlagenes. Ihre nackten Füße waren schmutzig. »Wo sind deine Sandalen, Liebes?«, murmelte ich. »Hier liegen überall Glasscherben.«
    Die Frau fing an, der Kleinen wütend ins Ohr zu flüstern. »Sei lieb«, sagte sie. »Sag dem netten Mann was Kluges. Sei kein kleines Dummchen. Denk dir nichts aus.«
    Das Mädchen wandte sich von mir ab und schüttelte den Kopf. Sie versteckte den Kopf in ihrer Armbeuge und ließ ein paar unanständige Geräusche los. »Du bist aber süß«, sagte ich. »Was ist denn los? Magst du nicht mit dem fetten Onkel reden? Na, du musst doch keine Angst haben. Bald ist der Krieg vorbei, und dann können wir alle wieder zu Hause mit unseren Kätzchen spielen.«
    Brutal stieß die Frau das Kind mit dem Knie auf mich zu. »Yulia, sag was zu dem

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