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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
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fertig.«
    Frühstück? War es schon Morgen? Draußen färbten billige Abgase und nahe Torffeuer den Himmel gelb. Ich bekam Appetit auf Spiegeleier in einem Diner in Brooklyn. Ich sagte nichts. Ich stellte mir vor,ich wäre ein Krankenhauspatient, und drapierte mich auf meiner Freundin. Dann erlaubte ich Aljoscha-Bob, mich in den Salon im Erdgeschoss zu geleiten, vorbei an den sechs leeren Zimmern im ersten Stock mit ihren endlosen Metall-Kassettendecken und lachsfarbenen Wänden, vorbei an der schmiedeeisernen, mit Schlangen und Äpfeln geschmückten Wendeltreppe, die ich kürzlich, einer bizarren biblischen Anwandlung folgend, hatte einbauen lassen.
    Gab es im Judentum nicht eine Trauerzeit für tote Eltern? Ich weiß noch genau, wie Papa mich zwang, nach dem Tod meiner Mutter eine Woche lang auf einem Kasten zu sitzen, und wir dann alle Spiegel in der Wohnung verhüllten. Wahrscheinlich folgten wir dabei einem alten Brauch, aber vor allem wollten wir unsere fetten, tränenverquollenen
punims
nicht mehr sehen. Am Ende verkauften wir die Spiegel, zusammen mit Mutters amerikanischer Nähmaschine und ihren beiden deutschen Büstenhaltern. Ich sehe Papa noch mit zittrigen Händen im Hof unseres Hauses stehen und erst den weißen Büstenhalter hochhalten, dann den rosafarbenen, umringt von den Nachbarinnen, die seine Waren prüften. Bis zur Jelzin-Ära waren es noch zehn Jahre hin, da schielte Papa schon nach der Oligarchenlaufbahn.
    Unten in meinem Salon ging es zu wie in einem Ameisenhaufen. Alles voller Russen. Das hatte man wohl davon, dass man in Russland lebte. Mein Diener Timofej und die jüngeren Polizisten arbeiteten in der Küche an Wildpasteten, sangen Soldatenlieder von ihren Einsätzen in Afghanistan und machten meiner fetten Köchin Jewgenia unzüchtige Anträge. Andi Schmid, der deutsche Junge, der meines Vaters letzte Augenblicke aufgezeichnet hatte, filmte sich selbst, wie er auf dem Parkett herumkrabbelte und fanatisch Ljuba Vainbergs dummen Terrier anjaulte. Die Witwe selbst ruhte, wie zu hören war, noch immer unten im Gästezimmer, voll gepumpt mit Halcion und der Designerdroge unseres deutschen Gastes, MDM .
    Mein Erscheinen schien niemanden weiter aufzuregen. Der Sohn des toten Mannes hätte genauso gut selbst tot sein können. Aus dem Fernseher dröhnten die Morgennachrichten, der Minister für Atomenergie erzählte seinen liebsten Tschernobyl-Witz, den vom Stachelschwein, dem die Stacheln ausfielen. Nur Hauptmann Belugin erhobsich, um mir die Hand zu schütteln. »Trauer erfüllt mein Herz«, sagte er. »Ihr Vater war ein großer Mann.«
    »Hin ist hin!«, rief einer der Polizisten aus der Küche.
    »Schnauze, Nika, sonst gibt’s was auf die Fresse!«, rief Belugin. »Ihr müsst Nika verzeihen«, sagte er zu mir gewandt. »Meine Jungs sind Fußballrowdys in Uniform, mehr nicht.« Er verbeugte sich knapp, die Hände über dem Herzen verschränkt. Belugins Betragen erinnerte mich an einen der schlauen Bauern Gogols, von der Sorte, die immer wusste, wann man besser der Herrschaft schmeichelte und wann die Sitten der Gebildeten kopierte. Viel weiter entwickelt als mein Diener Timofej, der sich schon schlau vorkam, wenn er ein viertel holländischen Käse mitgehen ließ oder ein T-Shirt, über das er sich dann mit dem Daewoo-Bügeleisen hermachen konnte, das ich ihm zu Neujahr geschenkt hatte.
    »Wer könnte vergessen«, sagte Hauptmann Belugin, »wie Ihr lieber Papa diesen dummen Amerikaner abgemurkst hat. Oh, könnten wir sie doch nur alle abmurksen! Die Deutschen, die lasse ich mir gefallen. Viel zivilisierter. Sehen Sie nur, wie schön der hübsche Andi Hündchen spielt. Weiter so, kleiner Mann! Wie macht der Hund?
Gav gav!
macht der Hund.«
    »Entschuldigen Sie die Störung«, unterbrach Aljoscha-Bob. »Aber was führt Sie hierher, Hauptmann Belugin? Warum lassen Sie Mischa nicht in Frieden trauern?«
    »Ich bin gekommen, um ein paar Dinge klarzustellen«, sagte der Hauptmann. »Des schrecklichen Verbrechens wegen, das die Welt erschüttert hat. Ich freue mich, Ihnen bekannt geben zu können, dass wir das Rätsel des Mordes an Ihrem Vater gelöst haben, Mischa. Oleg der Elch und sein syphilitischer Vetter Zhora haben Ihren Vater umgebracht.«
    »Ah!«, rief ich, ohne wirklich überrascht zu sein. Oleg der Elch und mein Papa waren einmal Freunde und Partner gewesen. Sie hatten einen Friedhof für neurussische Juden eröffnet, berühmt für seine Designergrabsteine mit dem Relief des neuesten
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