Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
Grinsen an die grimmige Physiognomie gepappt. »Hier kommt eine frische Flasche Tavor aus dem Amerikanischen Krankenhaus,
batjuschka
«, rief er und klingelte mit einer Tüte voller Medikamente. »Wissen Sie, Priborkins Herr lag auch mit Depressionen zu Bett, aber dann hat er ein bisschen
Zoloftuschka
genommen und ein bisschen
Prozacschik
, und schwups!, schon jagt er in Spanien Stiere!«
    »Mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern weiß ich nicht so genau«, sagte ich. »Ich glaube, ich halte mich erst mal an Angstlöser.«
    »Ich will doch nur, dass
batjuschka
wieder lacht und schön kräftig seinen Schuh nach mir wirft«, sagte Timofej und verbeugte sich so tief, wie sein kaputtes Rückgrat es erlaubte.
    Auf meinem
mobilnik
wählte ich Dr. Levine an. Unsere Sitzungen begannen um fünf Uhr nachmittags St. Leninsburger Zeit, also am Morgen an der Park Avenue, auf deren Mittelstreifen die satten amerikanischen Gräser wogten, während eine Prozession dunkelblauer Limousinen Großverdiener nach Downtown transportierte; alle waren sie sehr geschmackvoll gekleidet, und niemand hatte Blut an den Händen. Jedenfalls nicht so arg viel.
    Ich stellte mir vor, wie Dr. Levine – das semitische Gesicht frisch gebräunt vom Strand von Ipanema, der Bauch rund und gesund nach maßvollem Genuss von
churrasco
und schwarzen Bohnen – auf die leere Ledercouch vor ihm blickte, das Telefon laut gestellt, das Zimmer hell erleuchtet von den Fotos bunter Sioux-Tipis, die mir vielleicht den Weg zu einem besseren Selbst weisen sollten, einem gemütlichen kleinen Wigwam im Inneren meines Herzens.
    »Herr Doktor, es geht mir schreck-lich«, jaulte ich in mein
mobilnik
. »Ganz viele Träume, in denen mein Papa und ich in einem Boot den Mississippi hinunterpaddeln, der sich dann in die Wolga verwandelt und dann in irgendeinen afrikanischen Fluss. Oder manchmal esse ich auch Piroggen, und die Füllung ist dann mein toter Papa. Als wenn ich ein Kannibale wäre.«
    »Was fällt Ihnen noch dazu ein?«, fragte Dr. Levine.
    »Weiß auch nicht. Mein Diener sagt, ich sollte Wiederaufnahmehemmer nehmen.«
    »Ob Sie medikamentös gut eingestellt sind, können wir in ein, zwei Wochen überprüfen.« Ich hörte zu, wie Dr. Levines tief menschliche Stimme knatternd die unbegreifliche Entfernung von hier nach da überwand. Ich wollte meine Hände ausstrecken und ihn durch den Äther umarmen, doch da hatte mich wohl die Übertragung gepackt. Bei unseren Terminen herrschte sogar striktes Umarmungsverbot. »Was machen Ihre Angstanfälle?«, fragte er. »Nehmen Sie Ihr Tavor?«
    »Jaaa, aber ich war nicht brav, Herr Doktor! Ich habe Alkohol dazu getrunken, und das soll ich doch nicht, oder?«
    »Tavor sollten Sie nicht zusammen mit Alkohol einnehmen. Das stimmt.«
    »Also war ich nicht brav!«
    Schweigen. Fast konnte ich hören, wie er sich die zarte teigige Nase wischte. Er leidet im Sommer an Heuschnupfen, der Arme, aber wie viele Amerikaner seiner sozialen Schicht hat er als Mittfünfziger noch den ausladenden Brustkorb eines athletischen 25-Jährigen und einen festen, wenn auch leicht femininen Hintern. Ich bin nicht die Spur homosexuell, und doch habe ich viele Male davon geträumt, ihn leidenschaftlich in den Arsch zu vögeln, mein Riesenkörper auf seinem, meine Hände an seinem graubärtigen Mäulchen. »Würden Sie gerne hören, dass Sie nicht brav waren?«, sagte Dr. Levine gleichmütig in sein Telefon. »Möchten Sie gerne, dass ich Sie für den Tod Ihres Vaters verantwortlich mache?«
    »Oh Gott, nein«, sagte ich. »Ach, irgendwie habe ich immer gehofft, dass er sterben würde … Oh, ich verstehe. Oh Scheiße, echt … Ich bin ein böser, böser Sohn.«
    »Sie sind kein böser Sohn«, sagte Dr. Levine. »Ich glaube, in den vergangenen zwei Jahren war es nicht gut für Sie, dass Sie nichts mit Ihrer Zeit angefangen haben. Sie haben sie nicht konstruktiv genutzt wie in New York. Und der Tod Ihres Vaters macht die Lage natürlich nicht einfacher.«
    »Genau«, sagte ich. »Ich bin wie dieser Oblomow, der nie aus dem Bett kommt. Wie traurig für mich.«
    »Ich weiß, dass Sie lieber nicht in Russland wären«, sagte Dr. Levine, »aber bis Sie einen Ausweg gefunden haben, werden Sie lernen müssen, mit Ihrer Situation umzugehen.«
    »Jaja«, sagte ich und spielte mit einem neuen Fläschchen Tavor.
    »Wissen Sie noch, als Sie in New York waren, haben Sie mir immer erzählt, wie schön Moskau sei …«
    »St. Petersburg, eigentlich.«
    »Gewiss«,

Weitere Kostenlose Bücher