Snack Daddys Abenteuerliche Reise
anzufeuern. Und sei es nur in Gedenken an Trotl.
Dann erkannte ich einen der Männer neben Debil Kanuk. Gestärkte olivgrüne Uniform, matte Augen, die ständig den Horizont absuchten, rote Fäuste, die ihm wie Granatäpfel über den Hüften hingen. Es sah so aus, als würde Oberst Svyokla mich direkt angrinsen und sagen: Komm schon, rette Trotl, versuch’s doch!
Ruhig sprach er ins Mikrofon. Nach dem säuischen Gegrunze, das sich Debil Kanuk entrungen hatte, wirkte der Oberst eindeutig wie ein geübter Volksredner. »Solange sich die mörderischen Hintermänner der Sevo, die Präsident Georgi Kanuks Flugzeug abgeschossen haben, noch in Freiheit befinden«, sagte er, »müssen wir die Grenzen des Landes abriegeln und den Flugverkehr einstellen. Das Volk der Svanï wird Gerechtigkeit finden.«
»Mist!«, sagte Aljoscha-Bob. »Scheiße, Mischa! Warum lassen sie uns Ausländer nicht raus? Was wollen sie denn von uns? So eine Kacke!« Er hielt inne und sah mich an. »Weinst du, Snack?«
Ich fasste mir ins Gesicht. Ja, es stimmte. Meine Wangen waren nass, meine Nasenhöhlen erfüllt von der Meeresbrise meiner eigenen Körpersalze; und auf meinem Rücken ließ der Gifthümpel die vertrauten Bassakkorde anklingen: »Lasst alle Hoffnung FAHREN , lasst ALLE Hoffnung fahren.« Die Geschichte wiederholte sich. Die Zufahrt. DiePatronenhülsen. Die aufsteigende Wolke aus Kies. Die sich aufbäumenden Körper. Trotls letzte Worte:
Mischenka, bitte. Sie sollen aufhören. Auf einen Mann wie dich werden sie hören.
Aljoscha-Bob drehte den Fernseher ab und kam zu mir herüber.
»Ach, komm schon, Snacky«, sagte er. Er breitete die Arme aus.
»Na gut«, schluchzte ich und lehnte mich an ihn. Er setzte sich und legte mir den Kopf an seine warme nackte Schulter. Ich weinte heftig und ziellos und ließ meine Tränen in Strömen über den Körper meines Freundes rinnen, bis sie sich schließlich in der Höhlung seines Bauchnabels sammelten.
»Wir könnten doch ein bisschen rappen«, sagte er. »Möchtest du gerne ein bisschen rappen, Mischa? Weißt du noch, wer wir sind? Wir sind die
Gentlemen Who Like to Rap!
«
»Ich weiß«, sagte ich. Ich lächelte gerade genug, damit Aljoscha-Bob wusste, dass ich noch zu retten war.
»Wie wäre es dann mit etwas
ghetto tech
? Mit ein bisschen
›Dick work‹
?«
»Okay«, sagte ich und blickte mir schüchtern zwischen die Beine.
»
Lemme see yoah dick work, / Lemme see yoah dick work
«, sang Aljoscha-Bob in ein imaginäres Mikrofon und versuchte zu klingen wie eine sexuell erfahrene Frau aus dem Ghetto von Detroit. »
Lemme see yoah dick work …
«
Er hielt mir das Mikro hin. Ich spielte seinen imaginären Ghetto-Loverboy und sang in falschem Zuhälter-Bariton: »
Let me see dat pussy work.
«
Wir mussten beide lachen. »Braver Junge«, sagte Aljoscha-Bob. »So läuft das hier. So
groovt
das hier. Cooler Detroit-
shit
, Mann. Einwandfreies Duett. Du bist mein
nigga
.«
»Und du bist meiner«, sagte ich und drückte ihm einen Schmatz auf die Wange. Auf meinem Bauch breitete sich ein helles Prickeln aus. Konnte Rap einem noch mehr Kraft geben? Waren die Menschen, die nichts hatten, die glücklichsten von allen?
Ein dumpfes, aber stetig anschwellendes Röhren unterbrach unsere Umarmung. Aljoscha-Bob sprang ans Fenster und zog die Gardinen auf.
»Mischa, komm her!«, sagte er.
»Muss ich wirklich?«
»Sieh doch!«
Ein Chinook-Hubschrauber, eine Art mechanisierte fliegende Kuh, massig und plump zwischen zwei Rotoren gehängt, kam über die Ölfelder auf das »Plateau International« zugeflogen. Ich konnte den Schriftzug an seiner Seite lesen, die weißen englischen Buchstaben auf dem Tarnanstrich.
»Hol deinen Diener und deinen Laptop. Und vergiss deinen belgischen Pass nicht.«
»Warum?«
»Der Sturz von Saigon, 1975.«
»
Je ne comprends pas.
«
»Komm in die Puschen, Snack. Wir schlagen uns zur Botschaft durch.«
Die U.S. ARMY war in Svanïstadt gelandet.
20
Die Amerikaner sind am Zug
Die US -Botschaft lag im Schatten des ExxonMobil-Hochhauses, eines rechteckigen Neubaus, verkleidet mit lachsfarben getöntem Glas und verchromten Jugendstilgirlanden, die Dauerhaftigkeit und lockere Geschichtsverbundenheit ausstrahlen sollten. Die Botschaft selbst war in einem blassen alten Akademiegebäude untergebracht, wo einst zur Zarenzeit die Söhne der einheimischen Adligen erzogen worden waren. Nach den Angriffen auf die US -Botschaften in Afrika war der amerikanische Vorposten
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