Sniper
er sich den Soldaten anschloss, die uns Feuerschutz zu geben versuchten, während wir uns die Aufständischen vom Leib hielten.
Die Marines entsandten eine Patrouille, um uns zu Hilfe zu eilen. Als ich beobachtete, wie sie den Stützpunkt verließen, verfolgte ich, wie sich ein Aufständischer von hinten an sie heranschlich.
Ich gab einen Schuss ab. Die Patrouille warf sich in den Staub. Ebenso der Iraker. Allerdings stand dieser nicht wieder auf.
»Wir haben es mit einem feindlichen Scharfschützen zu tun«, sagte der Funker. »Der ist richtig gut, fast hätte er uns erwischt.«
Ich ging an mein Funkgerät.
»Das bin ich, du Vollidiot! Schau mal nach hinten!«
Sie drehten sich um und sahen den Aufständischen samt seinem Raketenwerfer tot am Boden liegen.
»Mein Gott, danke«, antwortete der Marine.
»Keine Ursache.«
Die Iraker verfügten aber tatsächlich über Scharfschützen, die in jener Nacht auch aktiv waren. Ich erledigte zwei von ihnen – einer befand sich auf dem Minarett einer Moschee, ein anderer in einem nahegelegenen Gebäude. Sie lieferten uns einen ziemlich gut koordinierten Kampf, der besser organisiert war als die, mit denen wir es in jener Gegend sonst zu tun bekommen sollten. Ungewohnt war, dass er nachts stattfand; die Schurken forderten ihr Glück nachts normalerweise nicht heraus.
Schließlich ging die Sonne auf und das Feuergefecht ebbte ab. Die Marines sandten einige gepanzerte Wagen los, um uns Deckung zu geben, und wir rannten ins Camp zurück.
Ich meldete mich beim Kommandanten, um ihn darüber in Kenntnis zu setzen, was geschehen war. Ich hatte kaum meinen Mund geöffnet, als ein bulliger Offizier der Marines in das Büro stürmte.
»Wer zum Teufel war der Scharfschütze im siebten Stock?«, brüllte er.
Ich wandte mich zu ihm und sagte ihm, das sei ich gewesen. Innerlich machte ich mich schon darauf gefasst, für irgendein mir unbekanntes Vergehen abgemahnt zu werden.
»Ich wollte Ihnen nur danken, mein Sohn«, sagte er, und zog seinen Handschuh aus. »Sie haben mir das Leben gerettet.«
Er war der Kerl, den ich über Funk als Vollidioten bezeichnet hatte. Ich habe nie einen Marine gesehen, der dankbarer war als er.
»Die Legende«
Kurze Zeit später kehrten meine Kameraden von ihren Abenteuern im Osten zurück. Sie begrüßten mich gewohnt herzlich.
»Ach, wir wussten, dass die Legende hier ist«, sagten sie kurz nachdem sie mich gesehen hatten. »Wir haben gehört, dass in der Nähe von Camp Ramadi zwei Männer erschossen worden sind. Auch im Norden sterben plötzlich die Leute an akuter Bleivergiftung. Deshalb wussten wir, dass die Legende angekommen sein muss. Du bist der einzige Mistkerl, der da draußen jemals einen von den bösen Jungs erwischt hat.«
Ich lachte.
Den Spitznamen »Die Legende« hatte ich mir in Falludscha erworben, etwa zu der Zeit, als sich die Episode mit den Strandbällen ereignete, oder vielleicht als mir der extrem weite Schuss gelang. Davor war mein Spitzname einfach nur Tex gewesen.
Einfach »Legende« genügte natürlich nicht. Sie zogen mich genüsslich damit auf und nannten mich spöttisch DIE LEGENDE. Einer meiner Kameraden – ich glaube es war Dauber – trieb die Spöttelei dann irgendwann auf die Spitze und nannte mich nur noch DEN MYTHOS.
Diese Spitznamen waren alle eher freundschaftlich gemeint und im Grunde genommen eigentlich eine größere Ehre als jede Ordensverleihung in Paradeuniform.
2
Ich konnte Dauber wirklich gut leiden. Obwohl er noch ein Frischling war, war er bereits ein ziemlich guter Scharfschütze. Er konnte sich in einem Feuergefecht gut behaupten – und das machte sich bemerkbar. Ich mochte ihn also, und als es darum ging, ihn zu schikanieren, schlug ich ihn nicht … besonders fest.
Auch wenn die Jungs mich damit aufzogen, gehörte Legende eindeutig zu den freundlicheren Spitznamen, die die Runde machten. Dauber ging es da ganz anders. Das ist nicht sein echter Name (zurzeit arbeitet er, sagen wir einmal unverbindlich, für die Regierung). Der Spitzname war einer Figur aus der Fernsehserie Coach entlehnt. Dort ist Dauber die typische unterbelichtete Sportskanone. In Wirklichkeit ist Dauber sehr intelligent, was aber für den Spitznamen keine Rolle spielte.
Aber einen der besten Spitznamen hatte Ryan Job: Biggles.
Es war ein großer, alberner Name für einen großen, albernen Kerl. Er stammt ursprünglich von Dauber, der behauptet, das Wort sei eine Kombination aus »Big« (groß) und »Giggles«
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