Sniper
täglich ein paar Schüsse in unsere Richtung zu feuern. Jeden einzelnen Tag. Wir schwenkten ein Signaltuch über unserer Position – mit der wir zu verstehen gaben, dass wir auf ihrer Seite waren –, aber sie schossen weiter auf uns. Wir funkten ihre Befehlshaber an. Sie schossen trotzdem weiter auf uns. Wir riefen immer wieder an und beschimpften ihre Befehlshaber aufs Übelste. Sie schossen trotzdem weiter auf uns. Wir unternahmen fast alles, um sie dazu zu bringen, das Feuer einzustellen – mit Ausnahme eines Luftangriffs. Alles vergeblich.
Hasenfuß kehrt zurück
Bei Kilo lief mir prompt Hasenfuß wieder über den Weg. Ich hatte mich mittlerweile abgeregt und riss mich am Riemen, obwohl sich meine Gefühle ihm gegenüber nicht geändert hatten.
Hasenfuß selbst hatte sich aber leider auch nicht geändert. Es war erbärmlich.
Eines Nachts war er mit uns auf dem Dach, als Aufständische von irgendwoher anfingen, uns zu beschießen.
Ich suchte Schutz hinter der gut einen Meter hohen Dachmauer. Sobald das Schießen eingestellt wurde, erhob ich mich leicht und spähte über die Mauer hinweg, um herauszufinden, woher die Schüsse kamen. Aber es war zu dunkel.
Es folgten weitere Schüsse. Wieder duckten sich alle. Ich ging nur leicht in die Hocke, weil ich hoffte, im Dunkeln das Mündungsfeuer der nächsten Schüsse ausfindig machen zu können. Aber ich konnte rein gar nichts entdecken.
»Komm schon, hilf mir mal«, sagte ich. »Sie zielen schlampig. Von woher schießen die Kerle?«
Keine Antwort von Hasenfuß.
»Hasenfuß, schau mal nach dem Mündungsfeuer«, sagte ich.
Keine Antwort. Es folgten noch zwei oder drei Schüsse, deren Herkunft ich aber nicht bestimmen konnte. Ich drehte mich schließlich um, um ihn zu fragen, ob er überhaupt etwas gesehen hatte.
Von Hasenfuß war weit und breit keine Spur. Er war nach unten gegangen – soweit ich weiß, hätte er sich sogar im Keller verkrochen, wenn die Tür nicht von Marines zugeschlossen worden wäre.
»Ich hätte dort oben erschossen werden können«, sagte er, als ich ihn fand.
Ich ließ ihn unten und sagte ihm, er solle einen der Marines nach oben schicken, um seine Aufgabe zu übernehmen. Bei dem konnte ich wenigstens sicher sein, dass er nicht Reißaus nahm.
Hasenfuß wurde schließlich irgendwohin versetzt, wo er nicht in Kampfhandlungen verwickelt werden konnte. Seine Nerven waren einfach nicht für den Dienst an der Waffe geschaffen. Am besten wäre es gewesen, er hätte sich selbst für dienstuntauglich erklärt. Das wäre zwar peinlich gewesen, aber sehr viel schlimmer ging es ja ohnehin nicht mehr. So musste er sich nun alle Mühe geben, jeden davon zu überzeugen, dass er kein Feigling war, obwohl die Fakten ihrerseits für sich sprachen.
Hasenfuß, der große Kriegsheld, erklärte den Marines, dass SEAL-Scharfschützen auf den Dächern von Falludscha völlig fehl am Platz waren.
»SEALs haben hier nichts verloren. Das ist doch kein Spezialeinsatz«, sagte er ihnen. Aber seiner Meinung nach waren nicht nur die SEALs das Problem. »Die Iraker werden sich neu formieren und uns überrennen.«
Seine Vorhersage war, sagen wir mal, nicht ganz zutreffend. Aber vielleicht steht ihm ja als militärischer Stratege eine glänzende Karriere bevor.
Der Sumpf
Unser eigentliches Problem war, dass die Aufständischen den Sumpf auf der anderen Flussseite als Deckung benutzten. Am Flussufer entlang gab es zahlreiche kleine Inseln, auf denen Bäume und Gestrüpp wuchsen. Hier und da ragte ein altes Fundament oder ein Erdhaufen und ein Stein zwischen den Büschen hervor.
Die Aufständischen sprangen wie aus dem Nichts aus der Vegetation hervor, platzierten ihre Schüsse und verkrochen sich wieder ins Gebüsch, wo man sie nicht sehen konnte. Die Vegetation war so dicht, dass sie nicht nur nah an den Fluss herankamen, sondern auch an uns – oft waren sie nur knapp 100 Meter von uns entfernt, ohne dass man sie sah. Selbst die Iraker konnten aus dieser Entfernung ein Ziel treffen.
Um die Sache noch zu erschweren, hauste eine Herde Wasserbüffel in dem Sumpf und sie durchquerten den Sumpf sehr häufig. Man hörte etwas oder sah, wie sich das Gras bewegte, und man wusste nicht, ob es sich dabei um einen Aufständischen handelte oder ein Tier.
Wir versuchten kreativ zu werden und forderten einen Napalm-Angriff auf den Sumpf an, um die Vegetation mit Stumpf und Stiel niederzubrennen.
Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
Im Laufe der Zeit bemerkte ich, dass
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