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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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verstehen? Erst schienen sie so viel Freude daran zu haben, sich ihr eigenes Zuhause zu schaffen. Er studierte gehorsam Tapeten- und Stoffmuster (obwohl es ihm völlig egal war, was sie auswählte); sie machten verschämte Andeutungen, dass eines der Schlafzimmer vielleicht später »nützlich« sein könnte, und planten ein besseres Bad dafür, als man es für das Zimmer hätte erwarten können. Im nächsten Moment schien alles irgendwie … Charles merkte, dass seine Frau unzufrieden war. Ihr Glück war ihm wichtig genug, dass er die Anzeichen ihres Unbehagens nicht ignorieren wollte, doch er begriff nicht, wie es dazu gekommen war. Was hatte sich verändert? Und als sich die Situation mehr und mehr verschärfte, war er mit seiner Weisheit am Ende. Er bot ihr an, mehr Zeit in London zu verbringen, aber nein, das war für sie keine Lösung. Er ermunterte sie, sich mehr im Museumsladen und Besucherzentrum zu engagieren, aber nein, sie fürchtete, damit würde sie seiner Mutter auf die Zehen treten. Schließlich hatte er gehofft, die Lage würde sich bessern, wenn sie Brook Farm für sich einrichteten und sich um ein von
den Eltern unabhängiges gesellschaftliches Leben in Sussex bemühten. Doch eines Tages hatte Edith plötzlich beschlossen, das herrschaftliche Haus lieber doch nicht zu verlassen, und daraufhin fiel ihm wirklich nichts mehr ein. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie wir beide dasitzen und einander anstarren – du vielleicht?«, sagte sie leichthin. Diese Worte trafen Charles tief und schmerzhaft, weil ihm genau dieses Bild vorgeschwebt hatte: Sie beide, wie sie am Küchentisch beim Essen saßen oder mit einem Tablett auf dem Schoß in der kleinen Bibliothek, dabei fernsahen oder sich über die Ereignisse des Tages unterhielten …
    Charles hatte wirklich Schwierigkeiten, wie er auch freimütig eingestanden hätte (zumindest vor sich selbst), zu erkennen, was mit ihrem Leben nicht stimmte. Er begriff nicht, was falsch daran sein sollte, immer dieselben Leute zu sehen, immer dieselben Gespräche zu führen und immer dieselben Dinge zu tun, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Der Jahresablauf umfasste für ihn immer die üblichen Betätigungen: Treibjagd bis Ende Januar, Fuchsjagd bis März, einige Zeit in London, dann vielleicht eine Reise ins Ausland, irgendwo Fischen und dann nach Schottland zur Pirschjagd. Was war daran nicht in Ordnung? Nun, offensichtlich gab es daran etwas auszusetzen, was ihm aber verborgen blieb. Und es war ihm ein Rätsel, was er als Nächstes tun sollte, um es seiner Frau recht zu machen, die er liebte, die ihm aber beim geringsten Anlass an die Gurgel sprang. Ein Rätsel, das er an jenem Vormittag nicht lösen würde, dachte er, als er in sein Tweedjackett schlüpfte und hinunterging, um mit seinem Vater im Esszimmer zu frühstücken.
    Inzwischen lag Edith stumm im warmen Wasser und hörte seine Schritte auf den polierten Holzstufen des großen Treppenhauses. Sie wusste, dass sich Charles ihretwegen Sorgen machte, doch aus einem seltsamen, nicht näher bestimmten Grund fand sie, dass er ein paar Sorgen verdiente. Und an jenem Vormittag war sie noch gereizter als sonst und wusste doch kaum, warum. Es kam ihr vor, als wäre in ihr großartiges Leben eine schleichende Fäulnis eingedrungen, die sich nur der empfindlichsten Nase durch einen schwachen, säuerlichen
Geruch bemerkbar machte. Es klopfte an der Schlafzimmertür und Mary kam mit dem Tablett herein. »Mylady?«
    »Ich bin hier, Mary. Lassen Sie es einfach stehen.«
    »Geht es Ihnen gut, Mylady?« Mary, die diskret neben der offenen Badtür stehen blieb, klang besorgt, vermutlich wegen dieser minimalen Änderung im üblichen Ablauf.
    »Bestens, Mary. Danke. Stellen Sie das Tablett einfach hin. Ich komme gleich heraus.«
    »Sehr wohl, Mylady.«
    Edith hörte, wie das Dienstmädchen durchs Schlafzimmer eilte, wie die Tür geschlossen wurde und sich Marys Schritte auf dem Gang entfernten.
    Wie gewöhnlich ihr Leben ihr jetzt vorkam! Heute schien es in einer grauen Gewöhnlichkeit zu versinken, die diese stickigen, chintzüberladenen Räume überzog und wie ein Nebel über dem Badewasser lag. Und doch waren noch vor kurzem solche Einzelheiten wie diese »Myladys«, die auf den polierten Böden hallenden Schritte, dieses Frühstück der Männer unten, bei dem die Silberplatten blinkten, diese Tabletts mit Spitzendeckchen, auf denen edles Porzellan schimmerte  – was für ein Fest für die Sinne war das alles

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