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Snow Crash

Titel: Snow Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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zwischen ihnen durch. Verglichen mit dem Floß ist dieser schmale Stahltunnel ruhig und isoliert; außer ihm hat keiner einen Grund, hier zu sein. Er möchte nur eine Minute hier sitzen und sich entspannen.
    Was unwahrscheinlich ist, wenn man darüber nachdenkt. »IHR STANDORT«, sagt er.
    Sein Blick auf den Rumpf der Enterprise - eine sanft gekrümmte Fläche aus grauem Stahl – weicht einer dreidimensionalen Rißzeichnung, die ihm das gesamte Innere des Schiffs auf der anderen Seite zeigt.
    Hier unten, auf Wasserebene, verfügt die Enterprise über einen dicken Torpedoabwehrpanzer. Nicht besonders vielversprechend. Weiter oben ist die Panzerung dünner, und es sieht besser dahinter aus, richtige Zimmer statt Treibstofftanks oder Munitionslager.
    Hiro entscheidet sich für ein Zimmer mit der Aufschrift OFFI-ZIERSMESSE und eröffnet das Feuer.
    Die Hülle der Enterprise ist überraschend hart. Reason bläst nicht einfach einen Krater hinein; es vergehen ein paar Sekunden, bis die Geschosse eindringen. Und es entsteht nur ein Loch, das etwa fünfzehn Zentimeter mißt. Der Rückstoß schiebt Hiro gegen die rostige Hülle des Öltankers.
    Er kann die Waffe sowieso nicht mitnehmen. Er hält den Abzug gedrückt und versucht, einfach immer in eine bestimmte Richtung zu zielen, bis die gesamte Munition verbraucht ist. Dann löst er den Gurt um seinen Körper und wirft das ganze Ding über Bord. Es wird auf den Grund sinken und seine Position durch eine Dampfsäule kundtun; später kann Mr. Lees Groß-Hongkong eines seiner fliegenden Umweltschutz-Einsatzkommandos herschicken und es entsorgen lassen. Und dann können sie Hiro vor das Umweltsündertribunal zerren, wenn sie wollen. Im Augenblick ist ihm das ziemlich egal.
    Er braucht ein halbes Dutzend Versuche, bis er den Enterhaken in das gezackte Loch sechs Meter oberhalb der Wasserlinie geworfen hat.
    Als er sich durch das Loch zwängt, zischt und poppt sein Overall, wenn heißes, scharfes Metall den Synthetikstoff schmilzt und zerreißt. Zuletzt bleiben ganze Stücke davon an der Hülle kleben. Er hat einige Verbrennungen ersten und zweiten Grades an den Stellen seiner Haut, die jetzt entblößt sind, aber
die tun noch nicht weh. So aufgekratzt ist er. Später werden sie wehtun. Seine Schuhsohlen schmelzen und zischeln, als er über glühende Schrapnelltrümmer läuft. Es ist ziemlich rauchig in dem Raum, aber Flugzeuträger sind unter Brandbekämpfungsgesichtspunkten konstruiert, daher ist nicht allzu vieles brennbar. Hiro geht einfach durch den Rauch zur Tür, die Reason in ein Sieb verwandelt hat. Er kickt sie aus dem Rahmen und betritt einen Raum, der in den Plänen einfach als DURCHGANG bezeichnet wird. Dann zieht er das Katana, weil der Zeitpunkt so geeignet zu sein scheint wie jeder andere auch.

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    Wenn ihr Partner etwas in der Realität tut, wird sein Avatar irgendwie schlaff. Sein Körper sitzt da wie eine aufblasbare Liebespuppe, und das Gesicht macht alle möglichen Dehnungs übungen. Sie hat keine Ahnung, was er macht, aber es muß irgendwie aufregend sein, weil er meistens entweder völlig überrascht ist oder eine Scheißangst hat.
    Kurz nachdem er sich mit diesem Bibliothekartyp über den Flugzeugträger unterhalten hat, hört sie ein tiefes Rumpeln – aus der Wirklichkeit – von draußen. Hört sich an wie eine Mischung zwischen einem Maschinengewehr und einer Kreissäge. Jedesmal, wenn sie das hört, nimmt Hiros Gesicht diesen überraschten Ausdruck an, will sagen: Gleich werde ich sterben.
    Jemand klopft ihr auf die Schulter. Ein feiner Pinkel, der eine wichtige Verabredung im Metaversum hat, denkt sich, was ein Kurier tut, kann nicht so wichtig sein. Sie achtet eine Weile nicht darauf.
    Dann verschwimmt Hiros Arbeitszimmer, schnellt in die Luft, als wäre es auf ein Rollo gemalt, und sie sieht einem Typen ins Gesicht. Einem Asiaten. Häßliche Kröte. Antennenkopf. Einer von den gruseligen Mackern mit Antennen.
    Â»Okay«, sagt sie, »was willst du?«
    Er packt sie an den Armen und zieht sie aus der Kabine. Es ist
noch einer bei ihm, der hält sie am anderen Arm. Sie gehen mit ihr weg.
    Â»Laßt meine Arme los«, sagt sie. »Ich komme mit. Schon gut.«
    Sie wird nicht zum erstenmal aus einem Gebäude voller feiner Pinkel hinausgeworfen. Aber diesmal ist es ein bißchen anders.

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