So bitterkalt
die Aufzugklappe weiter auf und schiebt sich hinaus. Das fühlt sich an, als wäre er in einem groÃen Haus in einem Sarg aufgewacht, genau wie Viveca in Ramis Kinderbuch.
Jetzt ist er mit dem Oberkörper drauÃen. Da steht ein Stahlschrank im Weg. Der Raum scheint eine Materialkammer zu sein, auf verschiedenen Regalen liegen Verbandspäckchen und Medikamentenschachteln. Durch eine schmale Glasscheibe in der Tür fällt Licht herein.
Aber alles ist still.
Vorsichtig, ein Bein nach dem anderen, steigt Jan neben dem Schrank aus der Luke. Dann richtet er sich auf und sieht zum Ausgang. Er macht drei Schritte zur Tür hin und streckt die Hand aus.
Die Tür ist verschlossen, aber mit einem gewöhnlichen Drehschloss versehen, sodass sie von innen entriegelt werden kann. Er schiebt die Türe ein paar Zentimeter auf, spürt die frische Luft hereinströmen und horcht auf Geräusche. Nichts.
Sankt Psycho schläft.
Jan macht die Tür noch weiter auf. Er sieht einen langen breiten Krankenhausflur mit hellgelben Wänden. An der Decke hängen Lampen, doch die geben nur ein gedämpftes gelbes Licht ab, vielleicht weil es Nacht ist. Nirgendwo ist ein Mensch zu sehen. Es riecht frisch nach Reinigungsmittel, hier gibt es also einen Putzdienst.
Und Patienten.
Und natürlich Wachleute. Rettig und Carl und ihre Freunde.
Jan schärft seine Sinne und betritt den Flur. Er erstreckt sich in beide Richtungen, mit Reihen von geschlossenen Türen auf beiden Seiten. An der Wand hängt eine groÃe runde Uhr, die schwarzen Zeiger zeigen Viertel vor zwölf.
Jan nimmt ein paar der übrig gebliebenen Papierstückchen und steckt sie in das Türschloss der Materialkammer, um es offen zu halten.
Dann geht er so leise wie möglich ein paar Schritte auf dem LinoleumfuÃboden.
Mit einem Mal fühlt er sich wieder wie ein Vierzehnjähriger, zurück auf den Fluren der Klapse. Die gleiche Stille, die gleichen kalten Wände und geschlossenen Türen.
Eine erstaunliche Ruhe überkommt ihn. Hier auf dem Flur der geschlossenen Türen zu sein ist fast, wie nach Hause zu kommen.
Er sieht nach rechts und zählt die Türen, die keine Nummerierung haben. Die siebte Tür sieht aus wie die anderen, doch Jan scheint sie weiÃer zu strahlen. Dort, ein paar Meter entfernt, wartet sie auf ihn.
Langsam geht er an allen anderen Türen vorbei dorthin. An jeder Tür sitzt ein Metallgriff, und in die Wand daneben ist jeweils eine kleine Stahlklappe eingelassen.
Nun ist er an Tür Nummer sieben angekommen. Sie ist geschlossen. Soll er an Ramis Tür klopfen oder gar versuchen, sie zu öffnen?
Jan entscheidet sich: Er wird klopfen.
»Hallo? Wer sind Sie?«
Jan fährt zusammen, als er die Stimme hört.
Er ist entdeckt worden. Jemand vom Personal steht in der Tür am Ende des Flurs und starrt ihn an. Es ist nicht Rettig oder Carl, sondern eine ältere Frau.
Sie macht ein paar Schritte auf ihn zu. »Woher kommen Sie?«
Jan blinzelt angespannt und sucht nach einer Antwort.
»Aus der Wäscherei«, sagt er rasch.
»Sie haben hier nichts zu suchen«, erklärt die Pflegerin. »Was machen Sie hier?«
»Ich habe mich in der Tür vertan«, antwortet Jan.
Die Frau starrt ihn an, aber sie sagt nichts mehr. Dann macht sie plötzlich kehrt und geht mit schnellen Schritten davon. Ob sie Hilfe holt?
Jan muss abhauen.
Er wirft einen letzten Blick auf Ramis Tür. So nah, aber er kann nichts weiter tun. Er kann ihr nichts geben.
Doch, eines vielleicht.
In der Wand neben der Tür befindet sich ebenso eine Stahlklappe wie bei den anderen Türen, und die macht er jetzt auf. Darin liegen nur ein paar Papiere, ein Essensplan und eine Information über eine bevorstehende Feuerübung.
Schnell macht er seinen Schutzengel vom Gürtel los und steckt ihn in den Kasten, unter die Papiere. Dann schlieÃt er die Klappe wieder.
Der Flur ist immer noch leer, und Jan geht schnell zur Abstellkammer zurück. Er nimmt die Papierstückchen, die die Tür offen gehalten haben, mit, drückt aber eines davon ins Schloss, um den Kolben unten zu halten.
Als er die Tür leise zuzieht, hört er auf dem Flur Getrampel. Die Wachleute sind ihm auf den Fersen.
Der Wäscheaufzug hinter dem Schrank ist genauso eng wie zuvor, doch diesmal kriecht er, ohne zu zögern, hinein. Er drückt den Knopf ganz unten in der Reihe.
Der Aufzug gehorcht
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