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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Sichtweite der Vorschule und ist nicht abgeschlossen.
    Â»Dann gehen wir dorthin.«
    Als sie an dem Volvo ankommen, tastet Rössel Jans Hosen ab und zieht sein Handy heraus, das er in der Regenjacke verschwinden lässt.
    Dann vollführt er wieder eine blitzschnelle Bewegung, ein Schnitt mit der Rasierklinge, und plötzlich kann Jan die Hände wieder bewegen.
    Â»Ins Auto mit dir, Kamerad.«
    Rössel öffnet die Fahrertür, drückt Jan hinters Lenkrad und wirft den Schutzengel auf den Beifahrersitz, dann macht er die Tür wieder zu. Im nächsten Moment wird die Hintertür aufgezogen, und Rössel setzt sich auf die Rückbank.
    Der scharfe Geruch von Rauch, Benzin und Tränengas, der von Rössel ausgeht, breitet sich im Auto aus.
    Â»Jetzt fahr«, befiehlt er.
    Rami? , denkt Jan und schaut auf seine Hände auf dem Lenkrad. Er öffnet den Mund. »Ich kann nicht fahren. Ich sehe nichts.«
    Â»Du siehst die Straße«, entgegnet Rössel. »Fahr einfach geradeaus, bis ich etwas anderes sage.«
    Jan unternimmt einen letzten Versuch, zu verstehen, was eigentlich passiert ist.
    Â»Wo ist Rami?«
    Â»Vergiss sie«, sagt Rössel. »Es gibt im Krankenhaus keine Rami. Das war ich, mit dem du geredet hast. Die ganze Zeit.«
    Â»Aber Rami muss ...«
    Rössels Arm schnellt nach vorn, und er drückt ihm die Rasierklinge an die Luftröhre. »Fahr jetzt«, befiehlt er, »oder es ergeht dir wie Carl. Von einem Ohr zum anderen.«
    Jan lässt den Motor an und tritt aufs Gaspedal.
    Rössel hält die Rasierklinge unter sein Kinn, und diese Bedrohung ist es, die Jan von Sankt Patricia wegführt, weg von den Lichtern der Stadt, hinein in die Dunkelheit.

52
    Jan fährt einen Mörder durch die Nacht. Einen Mörder, der ihm eine Rasierklinge an den Hals hält. Der sich aber gleichzeitig um ihn sorgt, wie er feststellen muss.
    Rössel hat seine freie Hand ausgestreckt und die Heizung aufgedreht, dann fragt er: »Zu warm?«
    Â»Nein.«
    Â»Hier abbiegen«, befiehlt er an einer Kreuzung.
    Auf den Straßen sind nur wenige Autos unterwegs, es begegnen ihnen bloß ein paar Taxis.
    Sie entfernen sich vom Stadtzentrum und fahren durch ein verlassenes Industriegebiet. Jan denkt nicht nach, er fährt nur, und irgendwann sind sie auf der Autobahn, die nach Göteborg führt.
    Auf dem Weg aus der Stadt dröhnt ein Lastwagen an ihnen vorbei, und zu beiden Seiten der Straße schimmern zwischen den Bäumen die Lichter von Bauernhöfen, doch das sind an diesem Abend die einzigen Hinweise auf andere Menschen. Es ist Freitag, und die Leute sind zu Hause.
    Jan fährt stur geradeaus, irgendwann beugt Rössel sich mit einem neuen Befehl vor: »Da einbiegen.«
    Es ist die Abfahrt zu einem Rasthof. Ein- und Ausfahrt sind von ein paar Straßenlaternen erhellt, aber auf dem Parkplatz davor steht kein einziger Wagen.
    Jan biegt ein und bremst sofort ab, er möchte das Auto in der Nähe der Laternen anhalten, und Rössel protestiert nicht.
    Â»Mach den Motor aus«, sagt er nur.
    Jan gehorcht, und es wird still auf dem Parkplatz. Völlig still.
    Da hört er Rössel tief seufzen, ehe er sagt: »Jetzt ist der Geruch weg, der Krankenhausgeruch.«
    Doch Jan nimmt den beißenden Gestank von Tränengas und Brennflüssigkeit, der von Rössels Kleidung ausgeht, noch immer wahr. Leise fragt er: »Was ist im Krankenhaus geschehen?«
    Rössel holt Luft. »Es gab einen richtigen Brand«, erklärt er. »Ich hatte aus der Malerwerkstatt Terpentin und ein Feuerzeug geschmuggelt. Ich habe das Zeug in den Flur geschüttet und angezündet.«
    Â»Und was ist dann passiert?«
    Â»Natürlich brach Chaos los. Plötzlich war es keine Übung mehr. Aber ich bin ruhig geblieben und in die Abstellkammer gelaufen. Die war nicht abgesperrt, ich konnte problemlos rein. Aber dann musste ich meine Pläne in letzter Sekunde ein wenig ändern.« Er seufzt. »Jemand hat versucht, mich aufzuhalten.«
    Â»Er heißt Carl«, sagt Jan.
    Â»Das weiß ich«, erwidert Rössel, »aber der braucht jetzt keinen Namen mehr.«
    Jan schweigt. Auch seinen Namen hat Rössel bisher kein einziges Mal ausgesprochen.
    Rössel seufzt wieder und rutscht auf dem Sitz herum.
    Â»Kein Gestank mehr. Es ist die Einsamkeit, die da im Krankenhaus vor sich hinstinkt. Lange Flure der Einsamkeit wie in einem

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