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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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und blickt auf den Schutzengel. »Den habe ich Alice Rami gegeben.«
    Â»Du hast ihn mir gegeben«, entgegnet Rössel.
    Â»Rami sollte zu mir runterfahren und ...«
    Â»Mehr werden wir heute Abend nicht«, unterbricht ihn Rössel, »da sind nur du und ich.«
    Dann boxt er Jan in die Seite und hält ihm die Rasierklinge an den Hals.
    Â»Komm schon, Kamerad«, fordert er. »Wir sollten hier abhauen, und wir sollten den da im Aufzug verstecken.«
    Rössel zeigt auf den toten Carl.
    Â»Nimm ihn bei den Armen.«
    Jan bekommt einen Stoß versetzt und beginnt, sich wie in Trance zu bewegen. Er streckt seine gefesselten Hände aus und packt den Oberkörper des toten Wachmanns. Mühsam hebt er ihn hoch und schiebt ihn zum Wäscheaufzug.
    Â»Stoß ihn hinein.«
    Jan drückt und zerrt und kämpft mit dem schweren Körper. Leblose Arme, hängende Beine. Alles muss in den Aufzug.
    Sein Blick fällt auf Carls Gürtel. Der Halter für das Tränengas ist leer, aber daneben hängen noch weitere Kabelbinder, bereit, sich um die Handgelenke von jemandem zu schlingen.
    Jan schiebt den Körper mit ausgestreckten Armen in den Fahrstuhl und zieht gleichzeitig rasch ein paar von den Kabelbindern aus dem Gürtel. Er versteckt sie unter seinem Pullover. Dann tritt er einen Schritt zurück, und Rössel schlägt die Aufzugklappe zu.
    Â»Jetzt komm«, befiehlt er.
    Jan kann nichts tun, er wird vorwärtsgestoßen. Raus aus der Wäscherei, in die Krankensäle. Er kann nicht stehen bleiben, denn dann erhält er kräftige Schläge in den Rücken, und jedes Mal, wenn Rössel die rechte Hand bewegt, spürt er die Spitze der Rasierklinge am Hals.
    Wie ein Schlafwandler stolpert Jan durch den Keller. Seine Augen brennen, seine Hände sind blutverschmiert.
    Was ist geschehen? Was ist eigentlich geschehen?
    Ivan Rössel hat sich mit dem Wachmann Carl in den Aufzug gequetscht. Und Carl ist tot, von Rössel geschlachtet.
    Und Rami? Sie hätte doch eigentlich runterkommen sollen, aber ...
    Â»Verlauf dich nicht«, meint Rössel zynisch, als er Jan zu einer Türöffnung dirigiert. »Folge den Papierschnipseln, falls du dich nicht erinnerst.«
    Aber Jan erinnert sich. Sie gehen durch die Kellergänge zurück, ohne jemandem zu begegnen. Dann direkt durch den Schutzraum und in den Gang, der zur Vorschule führt, in dem die Leuchtstoffröhren noch eingeschaltet sind.
    An der Fahrstuhltür bleibt Jan stehen. Er wendet den Kopf.
    Â»Die warten da oben auf Sie«, sagt er. »Das wissen Sie doch, oder? Eine Familie. Sie wollen mit Ihnen über ihren verschwundenen Bruder John Daniel sprechen.«
    Rössel schüttelt den Kopf.
    Â»Die wollen nicht sprechen«, sagt er. »Die wollen mich da oben umbringen, so sieht ihr Plan aus. Carl hat mich an sie verkauft.«
    Â»Nein, sie wollen nur wissen, wo ...«
    Â»Sie wollen mich ermorden, ich weiß es.« Rössel schubst Jan vorwärts, schiebt ihn vom Fahrstuhl weg zur Treppe in die Vorschule. »Jetzt vertraue ich nur noch dir, Kamerad. Und wir hauen jetzt hier ab.«
    Rössels Stimme ist die ganze Zeit über leise und deutlich. Eine Lehrerstimme, die es gewohnt ist, zu lenken und zu erklären.
    Er schiebt Jan vor sich die Treppen hinauf bis zur Tür von der »Lichtung«.
    Â»Mach auf.«
    Jan zögert, holt dann aber doch die Magnetkarte heraus und schließt auf.
    Rössel öffnet die Tür und schiebt Jan durch die Vorschule – vorbei an dem Spind, in dem Ramis Bilderbücher versteckt sind. Und Jans Tagebuch. Er hatte ihr die Bücher heute Abend zeigen wollen, danach hatte er sich gesehnt.
    Eine Regenjacke und eine Kappe von Andreas hängen an einem Haken, und Rössel zieht sie an. Dann macht er die Eingangstür auf und führt Jan auf den Hof hinaus.
    Die Nachtluft ist viel kälter, als Jan es in Erinnerung hat. Doch im Freien brennen seine Augen weniger.
    Er blinzelt ein paar Tränen weg und sieht sich um. Hinten am Krankenhausparkplatz pulsieren rote und blaue Lichter. Polizeiautos, Feuerwehrwagen, Ambulanzfahrzeuge. Die Brandschutzübung ist in vollem Gang – wenn es überhaupt noch eine Übung ist, denn Rössel riecht nach Rauch.
    Doch der treibt ihn unbeirrt weiter an und schaut nicht einmal zum Parkplatz hinüber.
    Â»Hast du ein Auto?«, fragt er nur.
    Jan nickt. Es steht in

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