Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
unruhig?«
    Â»Nein, normalerweise sind sie ganz entspannt und still, aber man will ja doch sichergehen.«
    Â»Natürlich.« Der Verkäufer legt den Schutzengel in eine Tüte. »Das macht dann dreihundertneunundvierzig Kronen.«
    Am Abend nimmt Jan das Fahrrad und fährt mit den Schutz­engeln im Rucksack zur Vorschule. Er überlegt kurz, ob er Marie-Louise die Apparate zeigen soll, er könnte sie ja mit derselben Begeisterung vorführen wie der Verkäufer, doch wahrscheinlich würde ihr das Babyfon ebenso wenig gefallen wie ein Fernseher. Also erwähnt er es nicht, als er pünktlich um halb zehn zur Arbeit kommt, sondern hängt nur den Rucksack in seinen Spind und übernimmt den Dienst.
    Auch an diesem Abend schlafen Matilda, Leo und Mira schon tief und fest, und Marie-Louise bricht bald auf. Vielleicht fängt sie langsam an, Jan zu vertrauen.
    Â»Warst du heute den Tag über müde?«, fragt sie.
    Â»Ein wenig schläfrig.«
    Â»Aber du hast hier letzte Nacht gut geschlafen?«
    Â»Ja, wirklich. Und die Kinder auch.«
    Marie-Louise nimmt den Bus um Viertel vor zehn, und Jan schließt hinter ihr ab.
    Er kann sehen, dass die Kellertür ebenfalls geschlossen ist.
    Jetzt ist er wieder allein, allein mit den Kindern.
    Hoch oben an der Seite von Sankt Patricia leuchten exakt dieselben vier vorhanglosen Fenster wie gestern. Er ist sich sicher, dass dort ein Flur verläuft, in dem die ganze Nacht das Licht brennt, so wie das Nachtlicht in der Vorschule.
    Jan wendet den Blick vom Krankenhaus ab, heute Abend gibt es viele andere Dinge zu tun. Er räumt die Stiefel im Garderobenraum auf, hört die Sportnachrichten im Radio (leise, um die Kinder nicht zu wecken), und dann macht er sich in der Küche ein spätes Abendbrot mit einer Tasse Tee.
    Doch die ganze Zeit über muss er an seinen großen Einkauf von heute denken: die Schutzengel.
    Als es nach elf Uhr ist, holt er sie aus dem Rucksack im Spind und öffnet die Tür zum Schlafzimmer der Kinder.
    Der Raum ist dunkel, und die Kinder liegen regungslos unter ihren kleinen Decken. Jan schleicht vorsichtig ins Zimmer. Kurz bleibt er in der Dunkelheit stehen und lauscht auf die leisen Atemzüge der Kinder. Beruhigende Laute.
    Dann schaltet er den einen Schutzengel, den Sender, ein und hängt ihn an einen Wandhaken zwischen den Betten von Leo und Matilda.
    Leo bewegt sich ein wenig und murmelt etwas, doch er schläft weiter.
    Leise schleicht Jan aus dem Zimmer. Draußen schaltet er den anderen Schutzengel ein, den Empfänger. Der Lautsprecher auf der Vorderseite ist klein und rund. Er gibt keinen Ton von sich. Jan hört nur ein schwaches Rauschen, als er ihn ans Ohr hält. Das Rauschen schwillt an und ab, wie kleine Wellen in der Nacht, die sacht auf einen Sandstrand rollen. Wahrscheinlich sind es die Atemzüge der Kinder, die er hört – das hofft er zumindest.
    Mit dem Schutzengel am Gürtel geht er im Haus herum, macht sein Bett und putzt sich die Zähne.
    Natürlich kann er sich immer einreden, die Schutz­engel seien nur dazu da, die Kinder unter Kontrolle zu haben, während er schläft, doch um Viertel vor zwölf holt er eine der Magnetkarten aus der Küche und öffnet die Tür zum Keller.
    Er schaltet das Licht an der Treppe ein, sieht hinunter und erinnert sich plötzlich an ein paar Zeilen von Rami:
    Warten und Zagen,
    die Uhren schlagen,
    ein Blick, eine Antwort, ein Tanz,
    es gibt dich, dort irgendwo  ...
    Jan macht einen Schritt die Treppe hinunter. Er will nur ein wenig gucken.
    Er horcht. Alles ist still – auch der kleine Lautsprecher des Schutzengels.
    Behutsam steigt er die Treppe hinunter und betritt den Gang.
    Hier sind keine Kameras. Marie-Louise hat schließlich gesagt, dass es im Keller keine Videoüberwachung gebe. Er vertraut ihr.
    Er ist unsichtbar.
    Jans Schatten gleitet unter den Leuchtstoffröhren über den Teppich, doch er selbst ist nicht zu sehen.
    Die bunten Tierbilder hängen noch an der Wand, nur die Ratten sind ein wenig in Schieflage geraten. Schnell rückt er den Rahmen zurecht.
    Der Fahrstuhl wartet unten im Keller, als ob ihn jemand für ihn hinuntergeschickt hätte. Jan stellt sich vor die Fahrstuhltür und denkt nach. Wenn er einfach einsteigen, auf den Knopf drücken und nach oben, direkt zu den Korridoren von Sankt Patricia fahren würde?
    Ob die oben am Fahrstuhl eine Kamera haben?

Weitere Kostenlose Bücher