So bitterkalt
Theater.
»Jetzt gehe ich ... Tschüss!«
»Tschüss!«, antwortet ihre Stimme.
Er schlägt die Eingangstür hinter sich zu. Abends ist es wirklich kalt drauÃen, und als ihn die AuÃenbeleuchtung der »Lichtung« nicht mehr erreicht, kommt es ihm vor, als würde er durch einen tiefen See waten, auf dem Hof ist es pechschwarz. Doch seine Augen gewöhnen sich allmählich an die Dunkelheit, und er sieht, wie sich drauÃen auf der StraÃe eine Gestalt in dunkler Daunenjacke und mit schwarzer Stoffkapuze von der Bushaltestelle her nähert.
Der Schatten ist auf dem Weg zur Vorschule. Auf ihn zu.
Instinktiv tritt Jan hinter den Geräteschuppen, wo er wartet und horcht.
Er hört das Tor rasseln und zuschlagen.
Die Eingangstür der Vorschule wird aufgemacht und wieder geschlossen.
Jan tritt hinter dem Schuppen hervor. Der Hof ist leer. Die drei Schaukeln wiegen sich sanft im Abendwind. Er setzt sich auf die gröÃte, einen alten Autoreifen, schiebt die Hände in die Jackentaschen und wartet. Worauf? Er weià es nicht recht, doch er ist warm angezogen und kann noch ein Weilchen hier sitzen bleiben.
Still verharrt er auf der Schaukel und blickt zum Krankenhaus und dem beleuchteten Zaun hinüber. Ab und zu schaut er zu den erleuchteten Fenstern der Vorschule, und einmal sieht er Lilian rasch an einem der Fenster im Speisesaal vorbeigehen. Sie ist allein, der Besucher ist nicht zu sehen.
Es wird Viertel nach zehn. Nichts geschieht. Hinten in den Häusern auf der anderen Seite des Feldes gehen langsam die Lichter aus, dort legen sich erschöpfte Mütter und Väter schlafen. Jan zittert, ihn fröstelt, doch er bleibt auf der Schaukel sitzen.
Zehn Minuten später friert er richtig und hat keine Lust mehr, länger zu warten. Aber gerade als er sich erheben will, wird die Eingangstür der Vorschule geöffnet.
Jan sitzt regungslos da. Er sieht eine Gestalt auf die Treppe treten.
Es ist nicht Lilian, das ist der Besucher mit der Daunenjacke und der Kapuze. Eine geschmeidige Gestalt, die sich schnell von der Vorschule wegbewegt. Ohne einen Blick auf die Schaukeln zu werfen, geht sie direkt den Weg hinunter und durch das Tor. Jan hört harte Absätze, die über den Asphalt kratzen.
Vorsichtig steht er auf und macht ein paar Schritte auf das Tor zu. Die Figur in der Daunenjacke ist bei der ersten StraÃenlaterne angekommen. Sie wendet den Kopf und sieht zum Krankenhaus hoch, während sie gleichzeitig ein Feuerzeug aufflammen lässt â und im Schein der Flamme sieht Jan, dass es seine Kollegin Hanna ist.
Hanna Aronsson. Die Jüngste unter den Angestellten der »Lichtung« und gleichzeitig die Schweigsamste. Seit dem Abend, an dem sie gemeinsam von Bills Bar nach Hause gingen, hat sie kaum mit Jan gesprochen. Und er seinerseits hat sie gemieden, nachdem er ihr damals in angetrunkenem Zustand versehentlich über den »Luchs« und William erzählt hatte.
Jan lässt sein Fahrrad am Tor stehen und folgt Hanna leise und auÃerhalb der Reichweite der StraÃenlaternen die StraÃe entlang.
Sie ist auf dem Weg zur Bushaltestelle. Dort bleibt sie stehen und zieht erneut an ihrer Zigarette.
Auch Jan bleibt stehen, in fünfzig Meter Entfernung.
Was soll er tun? Er muss sich entscheiden, ehe der Bus kommt, und so geht er schlieÃlich mit einem angespannten Lächeln auf den Lippen zur Haltestelle.
»Hallo, Hanna!«
Ihre blauen Augen blicken ihn an und frieren an ihm fest. Sein Lächeln wird nicht erwidert.
»Hallo.«
Jan stellt sich ein paar Schritte von ihr entfernt an den StraÃenrand und atmet aus.
»Na ja, ich hab jetzt Feierabend.«
»Aha«, sagt Hanna.
»Und du?«, fragt Jan. »Was hast du heute Abend gemacht?«
Sie starrt ihn unverwandt an, ohne zu antworten, also versucht er es noch einmal: »Wohin fährst du?«
Hanna lässt die Zigarette fallen und tritt sie aus.
»Nach Hause.«
Obwohl sie allein an der Haltestelle stehen, senkt Jan die Stimme, als er fragt: »Hast du einen Krankenbesuch gemacht?«
Auch darauf bekommt er keine Antwort. Hinter ihnen ist ein Brummen zu hören â das ist der sich nähernde Bus Richtung Zentrum.
Der Stadtbus hält an, sie steigen ein. Hanna geht ganz nach hinten und sieht kurz über die Schulter, als wolle sie ihn loswerden. Doch er folgt ihr und setzt sich neben sie.
Der Bus ist fast leer, dennoch
Weitere Kostenlose Bücher