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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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still.
    Sie sahen sich an.
    Â»Gut«, sagte sie. »Noch mal.«
    Â»Wie heißt du?«, fragte Jan.
    Â»Rami.«
    Â»Rami?«
    Â»Jetzt nur noch Rami. Stört dich das?«
    Jan schüttelte den Kopf. Und dann fragte er, ohne nachzudenken, noch etwas:
    Â»Warum bist du hier?«
    Rami musste nur eine halbe Sekunde überlegen, bevor sie antwortete, und dann klang es, als ob es nicht so wichtig sei: »Weil meine große Schwester und ich etwas ziemlich Dummes gemacht haben. Hauptsächlich meine große Schwester. Aber sie ist nach Stockholm abgehauen und versteckt sich jetzt. Mich hat sie nicht mitgenommen, und deshalb bin ich hier gelandet.«
    Â»Was habt ihr gemacht?«
    Â»Wir haben versucht, unseren Stiefvater zu vergiften. Er ist widerlich.«
    Es wurde still im Raum. Jan wusste nicht, was er sagen sollte.
    Plötzlich war von draußen ein Rufen zu hören: »Jan! Jan Hauger!«
    Er zuckte zusammen, öffnete aber erleichtert über die Unterbrechung die Tür.
    Es war der Pfleger, der aussah wie Jesus, aber Jörgen hieß. »Telefon für dich, Jan.«
    Â»Wer ist dran?«
    Â»Ein Freund von dir.«
    Freund? Er warf Rami einen Blick zu. Sie nickte.
    Â»Wir machen nachher weiter.«
    Der Personalraum lag am anderen Ende der Klapse. Jörgen zeigte Jan den Weg, dann schloss er hinter ihm die Tür.
    In dem Raum gab es ein Bett, einen Tisch und ein Telefon, der Hörer lag daneben. Jan nahm ihn auf.
    Â»Hallo, hier Jan.«
    Â»Hauger? Du Idiot. Du verdammter Loser.«
    Jan erkannte die Stimme, und alle Luft entwich aus seinen Lungen. Aber die Stimme im Hörer hatte noch genug Atem.
    Â»Du lebst also«, fuhr sie fort. »Du hättest sterben sollen. Wir dachten, du seist tot. Kriegst du es nicht mal auf die Reihe, dich umzubringen?«
    Jan lauschte und schwitzte, genau wie in einer Sauna. Am schlimmsten waren die Hände – seine Handflächen waren so nass, dass ihm fast der Hörer aus der Hand glitt.
    Â»Hauger, weißt du, was wir allen in der Schule erzählt haben?«
    Jan schwieg.
    Â»Dass wir gesehen haben, wie du dir unter der Dusche einen runtergeholt hast. Hast dir einen runtergeholt und dabei gestöhnt.«
    Â»Das hab ich aber nicht.«
    Â»Nee, klar, aber dir glaubt doch keiner.«
    Jan holte Luft.
    Â»Ich habe nichts gesagt. Nichts von euch«, brachte er hervor.
    Â»Das wissen wir. Denn wenn du das machst, dann töten wir dich.«
    Â»Das tut ihr sowieso«, sagte Jan.
    Er bekam ein Lachen zur Antwort. Es klang, als stünden mehrere Jungs um das Telefon herum.
    Dann klickte es im Hörer.
    Jan sah auf seine Hose herunter. Unter dem Reißverschluss war sie nass und warm, er hatte sich angepisst.

34
    Als Jan nach Mitternacht aus der »Lichtung« nach Hause kommt, ist er müde, nicht körperlich, sondern im Kopf. Der Besuch im Keller von Sankt Psycho hat all seine Energie verbraucht.
    Doch er schläft den Rest der Nacht ruhig in seinem Bett, und um halb acht wacht er auf. Eine Stunde später fährt er mit dem Rad zur Vorschule. Vor ihm liegt eine Tagesschicht.
    Im Hof sieht alles aus wie immer. Die Schaukeln sind leer, und in der Sandkiste liegen ein paar Plastikschaufeln, als würden sie auf die Kinder warten.
    Doch als Jan die Eingangstür öffnet, erkennt er, dass etwas nicht in Ordnung ist. Hanna und Andreas stehen mit einigen Kindern im Garderobenraum – aber Hanna sollte nicht hier sein, sie sollte schon vor einer Stunde nach Hause gegangen sein.
    Â»Hallo, Jan«, grüßt Andreas.
    Jan lächelt den Kollegen zu, doch sie erwidern sein Lächeln nicht. Also fragt er: »Alles in Ordnung?«
    Andreas nickt. »Doch, doch. Aber wir haben gleich eine Besprechung.«
    Â»Eine Personalversammlung«, ergänzt Hanna.
    Â»Vielleicht eine Mir-geht-es-gut-Stunde?«
    Â»Weiß nicht ... ich glaube eher nicht.«
    Andreas scheint nicht im Geringsten neugierig zu sein. Jan nickt und versucht, ebenso gleichgültig auszusehen, doch als er die Jacke auszieht, bleibt sein Blick ganz kurz an Hannas Gesicht hängen. Ihre blauen Augen sind ebenso klar und ihre Miene ebenso schwer zu deuten wie immer, aber sie sieht schnell weg.
    Eine Viertelstunde später sind sie in der Küche versammelt. Alle sitzen um den Tisch, nur Marie-Louise steht mit geradem Rücken vor ihren Mitarbeitern. Sie zupft ihre Bluse zurecht, räuspert sich und presst die

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