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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Handflächen aufeinander.
    Â»Wir müssen über etwas Ernstes reden«, sagt sie. »Wie ihr alle wisst, sind hier in der ›Lichtung‹ die Sicherheits­regeln von besonderer Bedeutung, aber ihre Einhaltung hat leider nicht funktioniert.« Sie macht eine Pause und fährt dann fort: »Als ich heute in die Vorschule gekommen bin, das war so gegen sieben Uhr, stand die Sicherheitstür zum Keller offen. Und zwar sperrangelweit.«
    Sie sieht ihre Mitarbeiter an, doch niemand sagt etwas. Jan bemüht sich, ihrem Blick nicht auszuweichen.
    Â»Hanna, wir zwei haben heute schon darüber gesprochen, ehe die anderen gekommen sind«, fährt Marie-Louise fort, »und du hast gesagt, dass du nicht weißt, wie das passiert sein könnte.«
    Hanna nickt. Ihr Blick ist klar und unschuldig, sie zuckt nicht mit der Wimper. Jan ist beeindruckt.
    Â»Nee, echt, das ist superkomisch mit der Tür«, sagt sie. »Ich weiß genau, dass sie zu war, als ich mich schlafen gelegt habe.«
    Marie-Louise sieht sie an.
    Â»Bist du dir ganz sicher?«, bohrt sie nach.
    Hanna sieht kurz zur Seite, aber nicht länger als eine halbe Sekunde.
    Â»Fast.«
    Marie-Louise seufzt, als sie die Antwort hört. Sie streckt den Rücken noch mehr durch.
    Â»Diese Tür muss immer geschlossen sein. Immer.«
    Die Stimmung in der Küche ist gedrückt. Jan sitzt neben Hanna, doch er sagt nichts. Er sieht mit leerem Blick zu Marie-Louise und überlegt, ob er vielleicht nach seinem nächtlichen Ausflug die Tür nicht wieder geschlossen hat.
    Plötzlich erklingt eine helle und fröhliche Stimme: »Hallo, ihr Mitbürger!«
    Alle Köpfe fahren herum. Mira steht in der Küchentür und grinst die Erwachsenen mit einer großen Zahnlücke in der oberen Zahnreihe an. Jan weiß, dass sie vor ein paar Tagen das Wort »Mitbürger« gelernt hat, und jetzt wendet sie es so oft wie möglich an.
    Â»Hallo Mira«, erwidert Marie-Louise rasch, »wir kommen gleich zu euch! Wir Erwachsenen müssen nur noch was besprechen.«
    Â»Aber Ville und Valle müssen doch jetzt schlafen gehen! Wir müssen das Bett für sie machen!«
    Â»Jan«, sagt Marie-Louise leise, »könntest du hingehen und Miras Puppen ins Bett bringen?«
    Â»Natürlich.«
    Er ist froh, den Raum verlassen zu dürfen. Das hier ist keine lustige Personalbesprechung, er spürt das feine Gespinst aus Lügen und Geheimnissen, das zwischen ihm und Hanna gespannt ist, und fürchtet, dass einer der anderen es auch bemerken könnte.
    Â»Hallo, du Mitbürger!«
    Â»Hallihallo, Mira.«
    Das Mädchen scheint zufrieden, dass Jan ins Kissen­zimmer gekommen ist, um ihr zu helfen. Sie setzen sich neben Miras Bett, und er nimmt ihre beiden Puppen und legt sie unter die Decke.
    Hier drinnen ist Jan entspannter. Er macht alles zurecht, achtet darauf, dass Ville und Valle nebeneinanderliegen, dass die Stoffköpfe unter der Decke herausschauen, und dann glättet er mit den Handflächen das Kissen, um alle Falten wegzustreichen.
    Natürlich muss er an die offene Kellertür denken. Wenn er derjenige war, der sie in der Nacht offen stehen lassen hat, dann muss er sich in Zukunft besser zusammenreißen, denn sonst wird früher oder später in der Vorschule eine Kamera installiert werden.
    Â»So«, sagt er, »ist es nun gut, Mira?«
    Die Kleine nickt und beugt sich übers Bett. Jeder Puppe wird einmal über den Kopf gestreichelt. Und dann dreht sie sich zu Jan um und bohrt nachdenklich in der Nase.
    Â»Was wollte der Onkel?«, fragt sie. »Wollte der Ville und Valle holen?«
    Jan sieht das Mädchen erstaunt an. »Welcher Onkel?«
    Mira nimmt den Finger aus der Nase.
    Â»Der Onkel, der hier drin war.«
    Â»Hier war kein Onkel.«
    Â»Dohoch«, entgegnet Mira bestimmt. »Ich habe ihn gesehen, als es dunkel war!«
    Â»Heute Nacht, meinst du?«
    Sie nickt. »Er stand da .«
    Mira zeigt auf das Fußende ihres Bettes. Jan sieht hin, antwortet aber nicht, denn er weiß nicht, was er sagen soll.
    Â»Das hast du geträumt«, erklärt er schließlich. »Du hast nur geträumt, hier wäre ein Onkel gewesen.«
    Â»Nee!«
    Â»Doch, Mira. Du träumst doch manchmal. Du träumst von Sachen, die es nicht gibt, und dass du draußen bist und spielst, obwohl du im Bett liegst. Stimmt doch, oder?«
    Mira denkt nach und nickt.

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