So bloody Far (German Edition)
Songlian wahrnehmen. Und endlich witterte er auch den feinen Duft von Weihrauch und Hölzern. Fars Rasierwasser lag wie ein leichter Hauch in der Luft. Er war also hier gewesen und zwar erst vor kurzer Zeit. Wie ein Bluthund nahm Songlian die Spur auf. Sie führte in Richtung Galway die gewundene Straße entlang. Diesem Weg war Far am Vortag beim Joggen gefolgt. Das angebliche Lauftraining stand also im Zusammenhang mit seinem Fortgehen. Wie ein hungriger Wolf reckte Songlian die Nase in den Wind, spitzte die Ohren und trabte barfüßig hinter seinem Gefährten her. Ein Blick in den Himmel sagte ihm, dass die Sonne bald aufgehen würde und so allmählich begann er sich zu fragen, ob Far den ganzen Weg bis Galway zu Fuß gehen wollte. Einmal musste Songlian einen kurzen Zwischenstopp einlegen, als er in eine stachelige Ranke trat. Fluchend zog er sich die Dornen aus der Fußsohle, ehe er weiter eilte. Beinahe hätte er die schwache Fährte verloren, als ein kaum erkennbarer Feldweg von der Straße fortführte. Einen Moment lang blieb Songlian unsicher stehen und streckte seine Fühler in alle Richtungen aus. Er war ein geborener Vampir von nicht unbeträchtlichen Fähigkeiten und er hatte Fars Blut getrunken. Es sollte ihm daher wohl möglich sein, seinen Liebsten aufzuspüren. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass der Feldweg der Richtige war. Ohne weiteres Zögern wandte sich Songlian in diese Richtung und schlug einer weiteren Eingebung folgend einen leichten Bogen. Nach einer Weile konnte er Far in der Nähe fühlen. Offenbar hatte er dessen Vorsprung verringern können. Songlians feine Sinne spürten noch eine weitere Präsenz, was ihn ein wenig irritierte. Far war also nicht der einzige Vampir hier draußen in den grünen Hügeln. Hastig wich er zurück, bis er die Präsenz nicht mehr wahrnehmen und damit auch selber nicht bemerkt werden konnte.
„Beim Blut! Und nun?“ Ein in der Nähe liegender Hügel bot ihm die willkommene Lösung. Songlian hastete ihn hinauf, warf sich schließlich auf den Bauch und kroch den restlichen Weg, wobei er die letzten Schatten der Nacht als Deckung nutzte. Hier war er weit genug entfernt, um nicht aufgespürt zu werden und konnte doch etwas sehen. Flach presste er sich auf den flechtenbedeckten Boden, als er vor sich eine dunkle Limousine erspähte. Drei Männer standen bei dem Wagen und sahen Far entgegen, der sich ihnen von dem Feldweg aus näherte. Einer von ihnen trat einige Schritte auf Far zu. Der blieb stehen, warf seine Reisetasche auf den Boden und ließ es mit hängenden Armen zu, dass der Mann ihn küsste. Songlian riss die Augen auf. Was sollte das? Wie konnte Far ihm seine Liebe gestehen und einen anderen küssen? Die Frage klärte sich bereits im nächsten Moment, als der Fremde ausholte und seinem Freund wuchtig ins Gesicht schlug. Far taumelte unter dem Hieb zurück, machte aber keinerlei Anstalten sich zu wehren. Stattdessen sank er langsam auf die Knie und senkte den Kopf. Songlians Verwirrung wuchs immer mehr. Was hatte das alles zu bedeuten? Die drei Fremden schienen aufgeregt über irgendetwas zu streiten. Far verharrte währenddessen reglos zu ihren Füßen. Der dritte Mann stieg in die Limousine und begann gelangweilt am Lenkrad herumzuspielen. Inzwischen ging die Sonne über den Hügeln auf. Die ersten morgendlichen Strahlen erhellten die Szene auf dem staubigen Feldweg. Die beiden Männer neben Far stritten munter weiter. Doch nun im ersten Sonnenlicht konnte Songlian die beiden erkennen: Bhreac und Cailean. Ein entsetzter Schrei blieb ihm in der Kehle stecken. Wieso befand sich Far bei ihnen? Einen grausamen Moment lang sah Songlian den missbrauchten Körper Luc de Bonnevilles vor sich, der ihm einen tränennassen Blick zuwarf, während er Bhreac um den Tod anbettelte. Sollte sich hier die Vergangenheit wiederholen? Cailean warf soeben in einer resignierenden Geste die Arme in die Luft, woraufhin Bhreac lauthals zu lachen schien. Songlian bemerkte, wie Far ruckartig den Kopf hob. Was immer dort unten vorging, hatte mit Far zu tun und es schien ihm nicht sonderlich zu gefallen. Auf Bhreacs Wink hin sprang Far augenblicklich auf, packte seine Tasche und warf sie in den Kofferraum der Limousine. Geschmeidig nahm er im nächsten Augenblick neben Cailean auf dem Rücksitz Platz. Bhreac warf die Tür zu, trat um den Wagen herum und hielt auf einmal inne. Songlian duckte sich tiefer in das Gras, als sein Bruder mit den Blicken aufmerksam die Umgebung absuchte.
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