So coache ich
begleiten wollen, haben Sie dieses Problem gar nicht. Der andere wird Sie sowieso nur fragen, wenn er mit Ihnen »kann«. Wenn er Ihnen vertraut und zutraut, dass Sie ihn verstehen werden und auf seiner Wellenlänge liegen.
Zurück zur LOKC-Strategie 3: Mut zur Kürze!
Ein kleines Beispiel: In einem Seminar mit 40 berufstätigen
Frauen sitzt eine Teilnehmerin, die einen sehr smarten Eindruck macht. Nennen wir sie Inge. Inge ist Ingenieurin, hat eine Familie, pendelt seit einigen Jahren zwischen Heimatort und Arbeitsort hin und her – das klappe total prima, hat sie mehrfach betont.
Bei einem Coaching-Impuls, dem Motivationsraster (siehe gleichnamigen Abschnitt),
den ich mit allen Teilnehmerinnen mache, liest
Inge mehrfach den Begriff »Freunde« statt »Freude«. Ich schiebe ein kleines Kurzcoaching ein, um dahinterzukommen, warum das Thema »Freunde« bei ihr so stark ist. Und sie erzählt nach kürzester Zeit sehr offen, dass sie durch das Pendeln kaum mehr Freunde hat und an ihrem Arbeitsort furchtbar allein ist. Sie hat Tränen in den Augen, als sie davon erzählt. Wir erleben den »Fluch der starken Frauen«, wie ich dieses Phänomen nenne. »Das schaffe ich schon; das halte ich schon aus; das geht schon!« Im geschützten Raum des Seminars kann Inge einmal die nach außen gezeigte Stärke ablegen und ehrlich sein.
Ich biete ihr an, mich in der nächsten Kaffeepause mit ihr zusammenzusetzen und das Thema zu vertiefen – in einem solch großen Seminar kann ich leider nicht zu lange auf eine Einzelne eingehen. Und außerdem gibt es Dinge, die kann man nur im vertrauten Zweiergespräch sagen. Gesagt, getan. Wir setzen uns etwas abseits von den anderen Teilnehmerinnen an einen Tisch und ich frage nach: »So toll klappt das wohl doch nicht mit dem Pendeln?«
Inge fängt an zu weinen und erzählt die Geschichte in Kurzform: Es sollte eine Übergangsregelung sein – ihr Mann wollte nachkommen mit dem Sohn – er hat dann eine tolle Anstellung am Heimatort gefunden – sie haben dort ein Haus gebaut – sie wohnt während der Woche in der anderen Stadt in einem kleinen Zimmer – hat dort keine Freunde, kein Hobby – die Wochenenden gehen immer viel zu schnell vorbei.
»Ich will wieder nach Hause«, schluchzt sie, ein Häufchen Elend.
»Wie könnte das gehen?«, frage ich zurück.
»Das weiß ich auch nicht. Wir brauchen doch mein Gehalt, um das Haus abzubezahlen.«
»Weiß Ihr Mann, wie unglücklich Sie sind?«
»Nein, nicht so genau.«
»Wäre es Zeit, ihm das zu sagen?«
»Ja, das wär’s wohl.«
Inge richtet sich ein kleines bisschen auf, ist sehr konzentriert.
»In welchem Unternehmen arbeitet denn Ihr Mann? Könnten Sie da nicht eine Stelle finden?«
»Das habe ich vor Jahren einmal versucht. Aber das war in der Krise, da ging gar nichts.«
»Könnten Sie es jetzt nicht noch einmal versuchen?«
Inge trocknet sich die Augen, schneuzt in ihr Taschentuch und sagt mit klarer Stimme: »Ja, das könnte ich natürlich.«
Ich habe eine Redensart, mit der ich seit Langem meine Familie und Freunde nerve: »Seht ihr, es gibt keine Zufälle im Leben!« Aber ich habe so oft recht! Im weiteren Gespräch mit Inge stellt sich nämlich heraus, dass ich den Geschäftsführer und eine Managerin des Unternehmens kenne, in dem ihr Mann arbeitet. Ich biete ihr an, einen Kontakt zur Personalleiterin herzustellen. Und das tue ich dann auch. Und öffne ihr damit eine Tür – mehr nicht, aber das ist schon was. Durchgehen muss sie selbst.
Auch diese Art der Vernetzung wende ich in meinen Coachings sehr gern an: Ich kenne jemanden, der macht etwas Ähnliches …, Ich kenne jemanden, der weiß, wie …, Ich kenne jemanden, der hat auch schon … Und ich empfehle meinen Klienten: »Rufen Sie den/die doch mal an, viele Grüße von mir.«
Wie heißt einer der wichtigen PP-Bausteine für ein glückliches
Leben? »Gute Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen und pflegen.« Auch Coaching-Klienten müssen nicht alles selbst erfinden, sie dürfen sich von anderen helfen lassen. Und wenn ich jemanden kenne, so stelle ich die Verbindung gerne her.
Vor ein paar Tagen hat Inge mir geschrieben, dass sie demnächst ein Vorstellungsgespräch in dem Unternehmen hat – und dass sie an ihrem Arbeitsort einen Yogakurs belegt hat. Holla, das klingt gut. Vor allem das mit dem Yogakurs. Inge ist aus dem Schneckenhaus herausgekommen und beginnt, etwas für sich zu tun. Wunderbar. Vielleicht ein kleiner Schritt für die
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