So erregend rätselhaft (German Edition)
sehen. Da du nicht ans Telefon gegangen bist, habe ich mir Sorgen gemacht.“
Er stand viel zu dicht vor ihr, eine Hand auf dem Wagendach. Allein seine Nähe machte sie ganz nervös.
Das kommt nur daher, weil er durch die seltsame Situation mit Isabella solche Macht über dich hat.
Aber egal, wie oft sie sich das sagte, sie glaubte es selbst nicht so recht.
„Lass mich raten“, gab sie zurück, während sie schnell die hintere Wagentür öffnete, um Isabella herauszunehmen. So war wenigstens wieder etwas mehr Abstand zwischen ihnen. „Du dachtest, Isabella habe mich in einem Trotzanfall bewusstlos geschlagen und eine Spritztour unternommen.“
„Nein. Ich dachte, du hättest erneut eine Panikattacke gehabt und seist mit Isabella verschwunden.“
Er hörte sich ehrlich besorgt an. Lucy sah zu ihm hoch. Doch er blinzelte gegen das Sonnenlicht, und sie konnte nicht erkennen, was in ihm vorging.
„Das würde ich nie tun.“
Und doch hatte sie vor wenigen Minuten genau darüber nachgedacht. Natürlich nicht ernsthaft. Aber der Gedanke war ihr durch den Kopf gegangen.
„Es ist mir ernst.“ Zu ihrer Überraschung war es das wirklich. „Ich werde nicht einfach verschwinden. Versprochen. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dich zu überzeugen, mich Isabella behalten zu lassen. Aber ich werde sie nicht einfach so mitnehmen.“
Bildete sie es sich ein, oder entspannte er sich daraufhin ein wenig?
Ihr Gewissen meldete sich. War sie Dex gegenüber voreingenommen? Redete sie sich ein, er sei ein kaltherziges Monster, nur weil sie ihn so sehen wollte? Der Gedanke beunruhigte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte.
Schon wieder log sie ihn an: „Ich musste kurz ins Büro, um ein paar Akten zu holen.“ Als Beweis hielt sie ihre Aktentasche hoch, froh, dass sie diese letzten Freitag, ehe das alles passiert war, in den Wagen gelegt hatte. „Normalerweise kann ich ein wenig arbeiten, während Isabella schläft.“
Er nahm ihr den Kindersitz ab. Gemeinsam gingen sie zum Haus – er trug das Baby, sie ihre Aktentasche und ein Paket Windeln. Für einen Augenblick war es, als seien sie ein ganz normales Paar, das sich nach der Arbeit auf der Auffahrt getroffen hatte.
„Was genau machst du beruflich?“
„Ich bin Versicherungsmathematikerin.“
„Versicherungsmathematikerin?“
„Ja, aufgrund verschiedener Risiken errechne ich Versicherungsprämien.“
„Ich weiß schon, was in diesem Beruf zu tun ist, ich bin nur überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass dein Job so …“
„Langweilig ist“, ergänzte sie.
„Das wollte ich nicht sagen.“
„Doch, ich glaube schon, aber du hast einfach nach einer diplomatischeren Umschreibung gesucht, stimmt’s?“
Sie hatten den Hintereingang erreicht, und nachdem er die Tür geöffnet hatte, drehte er sich zu Lucy um und verstellte ihr den Weg. „Eigentlich hätte ich erwartet, dass du einen etwas weiblicheren Beruf hast.“
Das vielsagende Funkeln in seinem Blick ließ Lucy heiß werden. Erneut war sie sich bewusst, wie groß er war. Wie viel größer als sie selbst. Sein herausfordernder Blick weckte in ihr den Wunsch, sich zu ergeben und gleichzeitig die Flucht zu ergreifen. Oder einfach die Augen zu schließen und darauf zu warten, dass er sie küsste.
Stattdessen sagte sie einfach nur: „Glaub mir, Versicherungsmathematikerin ist genau der richtige Beruf für mich.“
Vielleicht war er langweilig – das jedenfalls sagte Jewel immer –, aber er war verantwortungsvoll und logisch. Es war eine nüchterne, sachliche Arbeit, um die man nicht viel Aufhebens machte. Der perfekte Job für sie.
Natürlich konnte sie Dex das alles nicht erklären, weil er nicht wusste, wer sie wirklich war. Er hielt sie für die exotische, aufregende Frau, die er eines Nachts in einer Bar getroffen hatte. Den Typ Frau, der Männer bezirzte und sich auf One-Night-Stands einließ.
Kein Wunder, dass er dachte, ihr Beruf passe nicht zu ihr.
Dieses Gespräch war nur eine weitere Erinnerung an den Betrug, den sie beging. Falls Dex herausfand, wer sie wirklich war, würde er sie bestimmt nicht mit so etwas wie Verlangen anschauen, so, wie er ihre Schwester angeschaut hatte. Aber ihre Überlegungen waren ohnehin lächerlich. Falls er die Wahrheit erfuhr, würde es ihre allerkleinste Sorge sein, ob er sie begehrte oder nicht. Ob er sie mit bloßen Händen erwürgte oder nicht, sollte sie da viel mehr interessieren.
Ebenso beunruhigend war die lockere Art, mit der
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