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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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ist ein Schläger, keine Kelle«, klärte mich der Trainer auf, als er mir die Kelle in die Hand drückte. Und tatsächlich: Das Ding war gepolstert, nicht so ’n beinhartes Noppenbrett wie die, mit denen wir ab und zu auf den Steinplatten im Hof spielten. Also keine Kelle. Ein Schläger. Und los ging’s. Er spielte mir die Bälle zu, und richtig dumm kann ich mich nicht angestellt haben, denn hinterher hieß es: Den wollen wir haben. Toll, habe ich gedacht. Andere sind abgeblitzt, und dich können sie gebrauchen.
    Die Sache fing einigermaßen geruhsam an, wuchs sich aber zu was Größerem aus. Im Osten war Sport ja immer Leistungssport, also keine halben Sachen– wenn, dann richtig–, und aus zweimal die Woche Training wurde dreimal, später viermal die Woche, bis ich irgendwann Tag für Tag an der Platte stand. Jetzt gibt es beim Tischtennis Angriffsspieler, Abwehrspieler und Alleskönner, die sogenannten Allrounder, und mich wollten sie ursprünglich auf Angriff trimmen, bis sie merkten, dass mir die Abwehr genauso lag. Da schalteten sie auf Allrounder um, und ich war in meinem Element. Mir gefielen die schnellen Ballwechsel– je schneller, desto lieber–, und das Einzige, was mir den Spaß verderben konnte, war ein Gegenspieler mit Noppe. Noppenschläger nehmen den Effet raus, die stoppen einfach alles, und dann kann man es eigentlich gleich bleiben lassen, denn Tischtennis ist der schnellste Ballsport der Welt, und die Noppe bremst bei jedem Schlag.
    Gut, die ersten kleinen Wettbewerbe kamen, später Turniere gegen Mannschaften aus befreundeten Ländern, und ich steigerte mich von Begegnung zu Begegnung, auch deshalb, weil ich inzwischen vom EAB (Elektro Anlagen Bau) zum Außenhandel gewechselt war. Alle Vereine in der DDR waren Betrieben zugeordnet, und beim Außenhandel wurde nicht geknausert, die konnten aus dem Vollen schöpfen, und das bedeutete: noch bessere Ausrüstung, noch bessere Trainer, noch ausgefeiltere Methoden.
    Jetzt ging’s richtig zur Sache. Supertrainer und das Material vom Feinsten. Westware. Die Schläger wurden individuell zusammengestellt, aus Balsahölzern und genau auf dich abgestimmten Belägen, einen für die Vorhand, einen anderen für die Rückhand. Die Statistik gab darüber Auskunft, welches Stadium du inzwischen erreicht hattest, in welcher Verfassung du dich gerade befandest, dein Profil wurde ebenfalls berücksichtigt– Angriffsspieler? Defensivspieler? Allrounder?–, und dann kam der große Augenblick, in dem der neue Schläger zum ersten Mal zum Einsatz kam. Vielleicht hatte ich jetzt ein richtig gutes Holz, aber die Beläge waren für meine Spielweise zu schnell, also wurden am Belag minimale Veränderungen vorgenommen, so lange, bis wirklich alles stimmte. Kurz gesagt, es wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, und was die Trainingsmethoden angeht: Um die Schlagkraft zu erhöhen, haben wir beispielsweise mit Lederbändern am Handgelenk gespielt, in denen Bleigewichte steckten. Toll, habe ich anfangs gedacht, Topspins mit Blei an den Händen, die lassen sich was einfallen, aber dann bekam ich einen Schrecken, weil sich mein rechter Arm laufend weiterentwickelte und der linke nicht. Rechts sah ich aus wie Obelix und links wie Asterix.
    An dem Punkt schaltete sich meine Mutter ein. Eines Abends stand ich unter der Dusche, da kam sie an, wackelte an mir rum und stellte fest, dass meine rechte Seite extrem muskulös war– ’ne Schlagfaust wie Bud Spencer–, während die linke Seite schlapp herunterhing. Da gab’s Ärger. Meine Mutter hat beim Vorstand des Außenhandels um ein Gespräch nachgesucht und ein Riesenfass aufgemacht, mit dem Erfolg, dass ich wieder beim EAB landete. Mir war’s recht. Ich mochte den Trainer dort, den Ecki. Der sparte nicht mit Lob, für den hatte ich auch als Vaterersatz Verwendung, der war für mich in mancher Hinsicht eine Leitfigur.
    Beim Tischtennis habe ich auch meinen ersten Toten gesehen. Steinert hieß der Mann. Muss um die sechzig gewesen sein und spielte bei den Senioren, die oft zur selben Zeit wie wir trainierten. An diesem Tag absolvierten die alten Herren ein Punktspiel, und Steinert, der ein Choleriker war und sich furchtbar über die eigenen Fehler aufregen konnte, geriet bei jedem Punktverlust außer sich. » Steinert, reg dir doch nich so uff, denk an dein Herze!«, ulkten seine Kumpel, aber Steinert steigerte sich dermaßen rein, dass er einen Herzinfarkt erlitt. Fiel einfach um, an der Platte neben mir, lag da und

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