So gut wie tot
am liebsten einer Generalüberholung unterzogen.
Bella sprach nie über ihr Privatleben, und Glenn fragte sich oft, wie sie wohl leben mochte. Hatte sie einen Freund, eine Freundin oder Mitbewohnerinnen? Ein Kollege hatte mal erzählt, Bella pflege ihre Mutter, doch sie hatte nie etwas Derartiges erwähnt.
»Ich weiß gar nicht mehr, wo du wohnst«, sagte er, als sie ausstiegen. Ein Windstoß ließ die Schöße seines Kamelhaarmantels flattern.
»In Hangleton.«
»Genau, das war’s.«
Irgendwie passend. Hangleton war eine hübsche, ruhige Wohngegend im Osten der Stadt. Viele kleine Häuser, Bungalows und gepflegte Gärten. Genau die Gegend, in der eine alleinstehende Frau mit ihrer älteren Mutter leben würde. Plötzlich sah er im Geist eine traurige Bella, die für eine gebrechliche Frau sorgte und Maltesers mampfte, weil ihr das Leben sonst nichts zu bieten hatte. Ein unglückliches, eingesperrtes Haustier.
Er klingelte. Ein philippinisches Hausmädchen öffnete und führte sie durch eine Orangerie mit hoher Decke und Blick auf weite Rasenflächen, einen riesigen Swimmingpool und einen Tennisplatz.
Sie bot ihnen Plätze in Sesseln, die um einen Couchtisch aus Marmor gruppiert waren, und Getränke an. Dann erschienen Stephen und Sue Klinger.
Stephen war ein großer, schlanker Mann Ende vierzig, der das graue Haar streng zurückgekämmt trug. Seine Augen blickten kalt, seine Wangen waren rot geädert wie die eines starken Trinkers. Er trug einen Nadelstreifenanzug und teure Schuhe und sah auf die Uhr, sowie er Branson die Hand geschüttelt hatte.
»Leider muss ich in zehn Minuten weg«, verkündete er mit kühler Stimme. Er klang völlig anders als am Vortag, als sie ihn nach einem feucht-fröhlichen Mittagessen erwischt hatten.
»Kein Problem, Sir, wir haben nur noch einige Fragen an Sie und Mrs Klinger. Wir wissen sehr zu schätzen, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.«
Er warf Sue Klinger einen anerkennenden Blick zu, und sie grinste verstohlen. Sie sah wirklich toll aus. Anfang vierzig, topfit, brauner Designer-Hausanzug und Turnschuhe, die frisch aus dem Karton zu stammen schienen.
Außerdem hatte sie einen unglaublichen Schlafzimmerblick. Dieser Blick traf ihn zweimal kurz hintereinander, und Glenn lenkte sich ab, indem er sein Notizbuch aufschlug und sich ganz auf Stephen Klingers Augen konzentrierte, deren Blick leichter zu deuten war.
Das Hausmädchen brachte Kaffee und Wasser.
»Dürfte ich kurz rekapitulieren, Sir? Wie lange waren Sie mit Ronnie Wilson befreundet?«
Klingers Augen zuckten nach links. »Moment, lassen Sie mich überlegen, wir kennen uns, seit wir Teenager waren. Siebenundzwanzig – nein, dreißig Jahre. Ungefähr.«
Zur Sicherheit fragte Glenn: »Gestern haben Sie uns erzählt, dass seine Beziehung zu Joanna schwierig war, es mit Lorraine aber besser lief?«
Wieder bewegten sich die Augen nach links, bevor er sprach.
Es war ein neurolinguistisches Experiment, das er von Roy Grace übernommen hatte. Es war bisweilen nützlich, um zu beurteilen, ob jemand die Wahrheit sagte. Das menschliche Gehirn besaß eine linke und eitle rechte Hemisphäre. Die eine war für das Langzeitgedächtnis zuständig, während in der anderen kreative Prozesse abliefen. Stellte man Menschen eine Frage, wanderten ihre Augen fast immer in Richtung der Gehirnhälfte, die sie gerade benutzten. Bei manchen Leuten befand sich das Gedächtnis links, bei anderen rechts; die kreative Gehirnhälfte lag jeweils gegenüber.
Nun wusste er also, dass bei Stephen Klinger die linke Seite für das Gedächtnis zuständig war. Bewegten sich seine Augen nach rechts, log er vermutlich. Die Technik war nicht hundertprozentig sicher, lieferte aber nützliche Hinweise.
Branson beugte sich vor, als das Hausmädchen ihm Tasse und Milchkännchen hinstellte. »Sir, halten Sie es für denkbar, dass Ronnie Wilson eine seiner Ehefrauen ermordet hat?«
Der Schock in Klingers Gesicht wirkte echt, ebenso der ungläubige Blick seiner Frau. Klingers Augen blickten genau geradeaus, als er antwortete. »Nicht Ronnie, nein. Er war manchmal jähzornig, aber …« Er schüttelte den Kopf.
»Er hatte ein gutes Herz«, fügte seine Frau hinzu. »Er kümmerte sich um seine Freunde. Ich glaube nicht, nein, nie im Leben.«
»Uns liegen Informationen vor, über die wir gern vertraulich mit Ihnen sprechen möchten, obwohl sie erst in den nächsten Tagen an die Presse gehen.«
Branson warf Bella einen auffordernden Blick zu,
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