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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Menschen, der zu seinem Auftritt in einem ihm bekannten Theaterstück bereit ist. »Was wissen Sie über meine Seele?« fragte sie herausfordernd.
    »Noch nicht.« Er lächelte und breitete die Hände aus. »Erst nach Untersuchen.« In seiner Stimme lag nichts Entschuldigendes. »Aber sie«, er deutete auf Hila, »ich kenne ein bißchen. Der Körper – kein Problem. Nur Stoffwechsel ist langsam. Aber Seele – das ist etwas anderes.«
    »Was ist mit ihrer Seele?« wollte Jo’ela wissen. »Wo liegt ihr Problem?«
    »Nicht ruhig. Seele sucht, sucht, will etwas, weiß nicht was, vielleicht Artista.«
    »Kunst?« fragte Hila verwundert.
    »Sie will, sie will. Aber Perfektion läßt sie nicht. Schlimme Depression wegen Perfektion«, bestätigte er.
    »Was für eine Kunst?« fragte Hila ungeduldig.
    Er dachte lange nach. »Etwas mit Händen, vielleicht Bilder«, sagte er dann zögernd und deutete auf das blasse Aquarell neben der Tür. »Vielleicht Figur, wie sagt man?«
    »Zeichnen?« fragte Jo’ela erstaunt. »Sie hat Talent zum Zeichnen? Zur Bildhauerei?«
    »Vielleicht. Aber sie will nicht Mitte. Alles oder gar nicht.«
    Hila lächelte erfreut. »Siehst du?« flüsterte sie Jo’ela zu. »Ich habe es dir ja gesagt.«
    Jeder, der ihre Aufmachung sah, ihre Sandalen, diesen dummen, vollkommenen und zweifelsfreien Glauben, konnte erraten, was sie hören wollte.
    »Es gibt auch Probleme mit Kontakt«, fuhr er zögernd fort. »Wann ist Datum von Geburt?«
    »Zehnter November.«
    »Und das Jahr?«
    »Neunundvierzig.«
    »Und Ehemann? Gibt es Ehemann?«
    »Ja«, bestätigte Hila.
    »Wann ist sein Datum?«
    »Dreiundzwanzigster Februar.«
    Der Mann wartete, den Bleistift in der Hand, und fing erst an zu schreiben, als es Hila einfiel und sie schnell hinzufügte: »Neunzehnhundertvierundvierzig.«
    »Das ist es«, sagte er befriedigt und betrachtete seine Notizen. »Sehr schwer. Fast nicht möglich. Aber vielleicht doch.«
    »Was? Was ist nicht möglich oder vielleicht doch möglich?« fragte Hila erschrocken.
    »Familienleben mit astrologischer Situation«, sagte er, als handle es sich um die selbstverständlichste Sache der Welt.
    Jo’ela räusperte sich, zog die Nase hoch und verzog die Lippen zu einer Art Lächeln. »Und wie werden Sie das behandeln? Wie behandeln Sie Eheschwierigkeiten? Auch mit Wärmewellen?«
    »Das ist schwer«, gab er zu. »Aber möglich.«
    »Mit Tee?«
    »Auch mit Tee.«
    »Gut, lassen wir das Eheleben, was ist mit ihrer Depression und ihrer künstlerischen Begabung? Wie behandeln Sie das?«
    »Mit Händen.«
    »Mit Wärmewellen?«
    »Zu Energiezentrum. Wie wenn es Entzündung gibt.«
    »Sie behandeln Entzündungen?«
    »Ja«, antwortete er gelassen.
    Wenn man Elektroden am Kopf befestigt, auf den Haaren, die sie vom Schädel trennen, bekommt man ein Bild der elektromagnetischen Wellen, ein EEG. Sie sind unsauber und unregelmäßig, aber sie zeigen Krankheiten an, zum Beispiel Epilepsie. Vielleicht ist das das Prinzip, überlegte Jo’ela, vielleicht soll man es sich so vorstellen: Wenn elektromagnetische Wellen etwas vom Gehirn zeigen, warum sollte es nicht bei anderen Körperteilen andere sensible Reaktionen geben?
    »Es gibt ein paar Energiezentren im Körper«, erklärte er. »Hier«, er deutete auf sein Knie, »und da«, er deutete auf seine Brust, »und da«, er drückte vorn auf seinen Hals, »und noch zwei.«
    »Ist das chinesisch? Ist das wie Akupunktur?«
    »Manche Merkmale sind gemeinsam«, antwortete er nachdenklich. »Aber nicht ganz genau. Nicht weit von östlichen Theorien.«
    »Und ich? Was habe ich?« fragte Jo’ela hartnäckig.
    »Bitte«, sagte er höflich und deutete auf den schwarzen Hocker mitten im Zimmer.
    Sie schloß ebenfalls die Augen, wie auf Befehl, obwohl er kein Wort gesagt hatte, und ließ ihn mit den Händen die Umrisse ihres Körpers nachzeichnen. Und als sie ihm gegenübersaß, fragte sie sich, wie sie wissen sollte, ob wirklich etwas an der Sache war. Denn plötzlich wurde sie wieder von einem Schwächeanfall gepackt, wie vor ein paar Tagen in der Küche. Sie öffnete die Augen. »Bitte Augen zumachen«, befahl der Heiler, und sie gehorchte. Das Schwindelgefühl nahm zu. »Ich kann nicht«, hörte sie sich sagen, »mir dreht sich der Kopf.« Vielleicht war die Erklärung nicht so kompliziert, und vielleicht mußte man auch auf eine Erklärung verzichten. Aber da war auch noch etwas Drittes. Schließlich berührte er den Körper wirklich nicht, und seine Hände

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