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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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waren aus Fleisch und Blut, keine wie immer gearteten Instrumente, das heißt, es konnte sich nicht um elektrische Ströme handeln, natürlich konnte er auch ein Scharlatan sein, aber so sah er nicht aus, er war höchstens größenwahnsinnig. Es war klar, daß er selbst an das glaubte, was er sagte.
    »Sehr gut«, verkündete der Mann, »das ist von Behandlung. Sonst ist Körper in Ordnung. Im allgemeinen. Keine Probleme. Nur eine Zyste am Eierstock, hier.« Er deutete auf die linke Seite. »Vielleicht eine starke Entzündung.«
    »Am linken Eierstock?« erkundigte sich Jo’ela.
    »Oder in der Ecke von Gebärmutter«, erklärte der Mann. »Zyste nicht groß. Muß man untersuchen.«
    Jo’ela starrte verwirrt vor sich hin. Es mußte eine Erklärung geben … Und selbst wenn er imstande war, elektrische Ströme aufzunehmen, woher wußte er, wie er sie zu interpretieren hatte? Woher wußte er, daß es sich um eine Zyste handelte? Wie kam er auf die Erklärung?
    »Und was ist mit ihrer Seele?« fragte Hila von weit her.
    Der Mann schloß die Augen, machte sie wieder auf, blickte Jo’ela an und streckte die Hand aus, zu ihrer Brust, dann zog er sie zurück. »Oh«, sagte er, »das ist schwer …«
    »Was heißt schwer?« erkundigte sich Jo’ela in gleichgültigem Ton. Ihr Herz klopfte heftig.
    »Es gibt schwere Konflikte … Es gibt innen etwas … anderes … und jetzt … Auf Russisch sagt man Nevrastenia und auf Hebräisch …« Er suchte das Wort, und Jo’ela warf Hila einen strengen Blick zu, damit sie schwieg. »Es gibt Depression«, sagte er schließlich unwillig.
    »Bei mir also auch?« fragte Jo’ela erstaunt. »Erst sie und jetzt ich, das ist eine sehr bequeme Lösung. Vielleicht leiden alle Frauen unseres Alters an Neurasthenie, an nervöser Erschöpfung.«
    »Jo’ela«, sagte Hila verlegen, mit einer verschwörerischen Kopfbewegung zu dem Mann hinüber. Am liebsten würde sie ihm wohl auf der Stelle erklären, daß ihre Freundin eine konventionelle Ärztin sei, der es schwerfalle, Unerklärliches und Unmeßbares zu akzeptieren. Aber sie tat es nicht.
    Jo’elas Vorwurf schien ihn nicht zu erschrecken. Zwischen seinen Augenbrauen, um das Muttermal herum, erschienen Falten. »Depression ist nicht richtiges Wort«, sagte er. »Nicht genau dasselbe. Bei ihr ist es anders als bei Ihnen. Es gibt große Kräfte, aber kein … wie Eisen, man kann nicht …« Er nahm ein schweres Lineal aus Metall in die Hand und tat, als wolle er es verbiegen. »Man kann nicht … es ist nicht … nicht …«
    »Elastisch?« schlug Hila zögernd vor.
    Er zog aus dem Regal hinter ihm ein grün gebundenes Buch, ein Wörterbuch Russisch – Hebräisch.
    »Vielleicht«, sagte er und schlug eine Seite auf. »Man muß schauen«, erklärte er. Hila deutete mit dem Finger auf das Wort »elastisch«.
    Er schaute es an und sagte mit Entschiedenheit: »Ja. Es gibt nicht elastisch. Es gibt schwer.«
    »Härte«, verbesserte ihn Hila.
    »Ein Allgemeinplatz«, erklärte Jo’ela. »Wie bei Horoskopen.«
    »Ich arbeiten auch mit Astrologie, warum nicht?« sagte er schnell. »Das kann viel helfen, mit Astrologie, mit einer genauen Karte, kann man …«
    »Das«, betonte Jo’ela, »ist überhaupt kompletter Unfug, da braucht man sich doch nur die Wochenendausgaben der Zeitungen anzuschauen, die kann man immer so interpretieren, wie es einem paßt, das hat keine Basis, das ist einfach Blödsinn.«
    Der Mann faltete die Hände und neigte den Kopf, als habe er keine Angst davor, weiter zuzuhören. »Macht nichts, macht nichts«, sagte er. »Es ist schwer zu akzeptieren, was nicht rational. Ohne wissenschaftliche Erklärung. Sie, die Freundin« – Hila nickte heftig, wie um die guten Beziehungen zwischen ihnen zu bestätigen – »von wissenschaftlicher Disziplin, es ist schwer.«
    »Woher wollen Sie wissen, zu welcher Disziplin ich gehöre?« protestierte Jo’ela.
    »Nun gut«, meinte er entschuldigend, »das sind Dinge, ich sehe.«
    In die Stille, die sich im Zimmer ausbreitete, drang von draußen das Sirenengeheul eines Krankenwagens.
    »Also was kann man tun?« fragte Hila.
    »Was?« wollte er wissen.
    »Mit der Depression«, erklärte Hila.
    »Das? Da ich kann helfen.«
    »Wie denn?« erkundigte sich Jo’ela.
    »Nun, einfach so, Tee und Behandlung.«
    »Gibt es einen besonderen Tee gegen Depressionen und einen anderen gegen Ängste? Einen gegen Bauchweh und einen anderen gegen Krebs? Oder wie ist das?« fragte Jo’ela.
    »Das ist immer

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