So hell wie der Mond
Sie hat nur gesagt, sie wäre so bald wie möglich zurück.« Laura runzelte besorgt die Stirn. »Hoffentlich ist alles in Ordnung!«
Kate ging noch mit sich zu Rate. Es war ein Test, sagte sie sich. Zu Bittie zu fahren und zu sehen, was sie dort empfinden würde, musste sie ausprobieren.
Die dezenten Farben und die praktischen Möbel im Foyer waren ihr angenehm vertraut. Chrom und Leder, effizient und leicht zu reinigen, beherrschten die kleine Sitzecke, in der
Money, Time
und
Newsweek
für die Klienten bereit lagen.
Die Empfangsdame sah Kate mit einem freundlichen, doch leicht verlegenen Lächeln an, als sie gewohnheitsmäßig in Richtung Treppe ging und die Stufen bis zum ersten Stock erklomm. Auch hier gab es nicht den geringsten Schnickschnack, dachte sie. Es summte wie in einem Bienenstock. Angestellte und Computerfachleute waren ganz auf ihre Arbeit konzentriert, einer der Angestellten aus der Postabteilung schob einen Wagen vor sich her und verteilte die Nachmittagseingänge – irgendwo ratterte ein Faxgerät.
In der zweiten Etage war es ebenso. Die Partner saßen in ihren eigenen Büros und pflügten dicke Aktenberge durch. Die Telefone klingelten ohne Unterlaß, was sie daran erinnerte, dass man in der Mitte des letzten Quartals des Steuerjahres war. Klienten riefen an, um zu erfragen, wie sich weitere Steuerabzüge erzielen ließen, wie man Einnahmen auf das kommende Jahr verschob, welche Forderungen sie zu erwarten hatten.
Natürlich, dachte sie, warteten doppelt so viele Leute bis zur letzten Dezemberwoche und riefen dann in hellster Panik an. Was gerade das Interessante an ihrer Arbeit war.
An der Tür ihres alten Büros machte sie halt. Niemand hatte es besetzt, entdeckte sie. Abgesehen von ihrem Computer und ihrem Telefon war der Schreibtisch leer. Das Faxgerät stand stumm da; aber sie erinnerte sich daran, wie es ständig gepiept und geklickt hatte, als sie noch für Bittie arbeitete.
Das Regal war in bequemer Reichweite des Schreibtischs aufgebaut, und früher hatte sie dort ihre Fachbücher, Steuerhandbücher und Formulare aufbewahrt. Keine Nippes, dachte sie. Keine Ablenkung. Und – sie stieß einen lautlosen Seufzer aus – nicht eine Spur von Stil. Sie war nichts weiter gewesen als eine von zahlreichen Bienen in diesem Stock.
Himmel, wie tödlich langweilig!
»Kate.«
Der Augenblick des Selbstmitleids war vorbei. »Hallo, Roger«
»Was machst du hier?«
»Ich ergehe mich in Selbstbetrachtung.« Ihr Arm schwenkte durch das leere Büro. »Niemand benutzt es.«
»Nein.« Sein Lächeln war ein wenig schwach. »Es geht das Gerücht, dass sie jemand Neuen einstellen wollen. Allerdings kursieren augenblicklich jede Menge Gerüchte bei uns«, fügte er hinzu und sah ihr ins Gesicht.
»Ach ja?« fragte sie kühl.
»Es überrascht mich, dich plötzlich hier zu sehen. In letzter Zeit war ziemlich häufig dieser Bulle da.«
»Das ist mir egal, Roger. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
»Nein, natürlich nicht. Das habe ich auch nie geglaubt. Dazu kenne ich dich einfach zu gut.« Er blickte über seine Schulter, wobei die Ruckhaftigkeit der Bewegung seine Angespanntheit verriet. »Bittie Senior hat letzte Woche sämtliche Angestellten zusammengerufen und verkündet, dass du von jedem Verdacht reingewaschen bist. Jetzt verdächtigt hier natürlich jeder jeden.«
»Was ja wohl niemanden überrascht.« Neugierig betrachtete sie seine Miene. »Dabei sollte natürlich nur eine Person beunruhigt sein. Meinst du nicht, Roger?«»Alle Zeichen wiesen auf dich«, erwiderte er. »Wer weiß, wer als nächster in die Mühle gerät.«
»Ich glaube, Detective Kusack weiß, wie er seinen Job machen muss. Und dann ist da schließlich noch das FBI.«
»Was meinst du damit, FBI?«
»Das Fälschen von Steuerformularen ist ein Verbrechen, das den Staat betrifft.«
»Niemand hat irgend etwas an den Formularen verändert, die den Finanzbehörden zugegangen sind. Die Regierung hatte nicht den geringsten Schaden durch diese Angelegenheit.«
»Nein, den haben nur ich und ein paar meiner Klienten zu spüren gekriegt. Du widerliches Schwein!«
Er fuhr zurück, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt. »Wovon, zum Teufel, redest du?«
»Du schwitzt ja direkt vor Angst. Weißt du, ich glaube nicht, dass ich dich je zuvor habe schwitzen sehen. Weder im Bett noch als du mir erzählt hast, dass eine meiner wichtigsten Klientinnen zu dir übergewechselt ist. Aber jetzt hast du plötzlich Schweißtropfen auf der
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