So hell wie der Mond
dass sie nicht die Tochter ihres Vaters war.
Mit leisem Lächeln ging sie die vor ihr liegenden Additionen durch. Bleib bei den Zahlen, sagte sie sich, die lügen nie.
3
Als Kate den
Schönen Schein
betrat, runzelte Margo besorgt die Stirn. »Du siehst aus wie tot.«
»Danke. Ich hätte gern einen Kaffee.« Und einen Augenblick allein. Also ging sie über die Wendeltreppe in das obere Stockwerk hinauf, wo bereits die Kaffeemaschine lief.
Nach dem Bericht des Detektivs aus dem Osten hatte sie nicht mehr als drei Stunden geschlafen. Jede Einzelheit bestätigte ihr, dass sie die Tochter eines Diebes war.
Es stand alles da – die Beweise, die Anklagen, die Aussagen. Und die Lektüre dieser Papiere hatte die schwache Hoffnung zunichte gemacht, dass alles irgendwie ein Irrtum gewesen war.
Statt dessen hatte sie erfahren, dass ihr Vater zur Zeit des Unfalls nur gegen Kaution auf freiem Fuß gewesen war und dass er seinen Anwalt angewiesen hatte, deutlich zu machen, dass er das Angebot, sich schuldig zu bekennen und dafür mit einer milden Strafe belegt zu werden, annehmen wollte. Wäre er in jener Nacht auf der eisigen Straße nicht ums Leben gekommen, dann wäre er wenige Tage später ins Gefängnis zurückgekehrt.
Sie sagte sich, dass sie die Vergangenheit am besten akzeptierte, wie sie nun einmal gewesen war, und mit ihrem Leben weitermachte, während sie ihren heißen, schwarzen Kaffee trank. Sie musste wieder hinunter, da die Arbeit wartete. Und eine Freundin, die sie zu gut kannte, als dass ihr auch nur das geringste Anzeichen von Streß oder Anspannung verborgen blieb.
Nun, dachte sie und wandte sich mit ihrer Tasse in der Hand der Treppe zu – sie fände sicher eine glaubwürdige Entschuldigung für eine schlaflose Nacht. Und sie gewann nichts dabei, wenn sie sich wie eine Besessene mit einer Sache beschäftigte, die nicht mehr zu ändern war. Von diesem Augenblick an, versprach sie sich, dächte sie einfach nicht mehr darüber nach.
»Was ist los?« fragte Margo, als Kate langsam die Stufen herunterkam. »Und dieses Mal erwarte ich eine Antwort! Seit Wochen bist du ungewöhnlich reizbar und nervös. Und ich schwöre dir, dass du mit jedem Atemzug, den du tust, dünner wirst. Das dauert jetzt lange genug so, Kate.«
»Es geht mir gut. Ich bin müde.« Sie sah die Freundin schulterzuckend an. »Ein paar meiner Abschlüsse machen mir Kopfzerbrechen. Und obendrein habe ich einfach eine anstrengende Woche hinter mir.« Kate öffnete die Kasse und zählte das morgendliche Wechselgeld. »Montag kam der Schleimer Roger Thornhill plötzlich in mein Büro.«
Margo, die gerade den Tee zubereitete, blickte auf. »Hoffentlich hast du ihn achtkant wieder rausgeworfen.«
»Ich habe ihn in dem Glauben gelassen, dass die Sache zwischen uns vergessen ist. Das war das Einfachste«, fügte sie, ehe Margo aufbegehren konnte, eilig hinzu. »Auf diese Weise läßt er mich vielleicht in Ruhe.«
»Du willst mir ja wohl nicht erzählen, dass du deswegen nachts nicht mehr schlafen kannst.«
»Es hat mir einigermaßen zu schaffen gemacht, okay?«
»Okay.« Margo lächelte voller Mitgefühl. »Männer sind Schweine, und der Kerl ist ein preisgekrönter Supereber. Bring dich seinetwegen bloß nicht um deinen Schönheitsschlaf, mein Schatz.«
»Vielen Dank. Tja, aber das war nur eine der Sachen, die blöd gelaufen sind.«
»Dann erzähl mir mal weiter aus dem seltsamen Leben einer Steuerberaterin.«
»Mittwoch habe ich diesen neuen Klienten bekommen, Freeland, eine Kombination aus Museum, Streichelzoo und Kinder-Vergnügungspark. Höchst seltsam, sage ich dir. Im Augenblick lerne ich gerade, wie teuer die Fütterung eines Lamababys ist.«
Margo sah sie an. »Du führst wirklich ein aufregendes Leben, wenn ich so sagen darf.«
»Wem sagst du das. Und plötzlich haben sämtliche Partner der Firma eine Sitzung hinter verschlossenen Türen abgehalten. Selbst den Sekretärinnen war derZutritt verwehrt. Niemand weiß auch nur im geringsten, worum es sich handelte; aber den Gerüchten zufolge geht es entweder um die Entlassung oder um die Beförderung von einem Mitarbeiter.« Schulterzuckend schob Kate die Kasse wieder zu. »Nie zuvor habe ich eine derartige Geheimniskrämerei bei uns erlebt. Sie haben sich sogar ihren Kaffee selbst gekocht.«
»Ich fasse es einfach nicht.«
»Hör zu, in meiner kleinen Welt gibt es ebenso viele Intrigen und ebenso viele Dramen wie in jeder anderen Welt.« Als Margo sich ihr näherte, trat sie
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