So hell wie der Mond
mittelständischen Familie kam, märchenhaft vorkamen.«
»Meinst du, wir hätten dich anders behandelt, wenn wir weniger wohlhabend gewesen wären?«
»Nein.« Kate schüttelte vehement den Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Was das Verblüffendste an der ganzen Sache war!« Sie senkte kurz den Kopf, und als sie wieder aufblickte, schwammen ihre Augen in Tränen. »Und heute erstaunt mich das alles noch viel mehr, denn … inzwischen weiß ich, was für ein Mensch mein Vater war.«
Susan starrte sie verwundert an. »Was für ein Mensch dein Vater war?«
»Was er getan hat? Dass er wegen Unterschlagung verurteilt worden ist.« Voller Angst beobachtete Kate, wie Susan die Stirn runzelte, ehe sie plötzlich den Kopf schüttelte.
»Oh!« Sie stieß einen langen, langen Seufzer aus. »Allmächtiger Gott, das hatte ich ganz vergessen.«
»Das hattest du vergessen?« Überrascht fuhr sich Kate mit den Händen durchs Haar. »Du hattest vergesssen, dass er ein Dieb gewesen ist? Du hattest vergessen, dass er gestohlen hat, verurteilt wurde, dass ihr seine Schulden beglichen und seine Tochter bei euch aufgenommen habt? Die Tochter eines …«
»Hör sofort damit auf.« Lieber hätte Susan Mitgefühl gezeigt, doch sie kannte ihre Kate. »Es steht dir wohl kaum zu zu beurteilen, was ein Mann vor über zwanzig Jahren getan hat, was in seinen Gedanken oder seinem Herzen vorgegangen ist.«
»Er hat gestohlen«, wiederholte Kate. »Er hat Gelder seiner Mandanten veruntreut. Das alles habt ihr gewusst, als ihr mich aufnahmt. Ihr wusstet, was er getan hatte, was er war. Und jetzt stehe ich unter genau demselben Verdacht!«
»Jetzt wird mir endlich klar, warum du das alles einfach über dich ergehen lassen hast und lieber krank geworden bist, statt dich zu wehren. Oh, du armes, dummes Kind!« Susan trat vor Kate und umarmte sie. »Warum hast du uns das denn nicht eher gesagt? Warum hast du dich uns nicht anvertraut? Wir hätten dir doch geholfen, die Sache durchzustehen.«
»Warum habt ihr mir nichts davon gesagt? Warum habt ihr mir nicht erzählt, was er verbrochen hat?«
»Zu welchem Zweck? Ein trauerndes Kind hat bereits genug auf dem Herzen, mit dem es fertig werden muss. Er hatte einen Fehler gemacht und hätte auch dafür bezahlt.«
»Statt dessen habt ihr es getan.« Ihre Kehle war wie zugeschnürt. »Ihr habt seine Schulden mit eurem Geld bezahlt. Meinetwegen.«
»Meinst du, dass uns das wirklich wichtig war, dass Tommy oder ich auch nur einen Augenblick darüber nachgedacht haben? Das einzig Wichtige warst du. Nur du allein.« Sie strich Kate übers Haar. »Wie hast du es herausgefunden?«
»Durch einen Mann, einen Klienten von mir. Er war ein Freund meines Vaters und dachte, ich wüßte über die Sache längst Bescheid.«
»Es tut mir leid, dass du auf diese Weise informiert wurdest.« Susan ließ ihre Hände sinken und trat einen Schritt zurück. »Vielleicht hätten wir es dir erzählen sollen, als du herangewachsen warst; aber nach einer Weile hat keiner von uns mehr an die Sache gedacht. Was für ein Timing«, murmelte sie und war von Mitgefühl erfüllt. »Du hast also davon erfahren, kurz bevor du selbst von Bittie der Veruntreuung bezichtigt worden bist?«
»Ein paar Monate vorher. Ich habe Artikel aus alten Zeitungen herausgesucht und einen Detektiv mit Nachforschungen beauftragt.«
»Kate!« Müde hob Susan ihre Hände vor die Augen. »Warum? Wenn du etwas hättest wissen oder verstehen wollen, hätten wir es dir erklärt. Warum hast du nicht einfach uns gefragt?«
»Wenn ihr darüber hättet reden wollen, hättet ihr es sicher längst getan.«
Nach einem Augenblick nickte Susan. »Also gut. Richtig, das stimmt.«
»Ich musste es einfach wissen. Und dann machte ich mich daran, die ganze Sache zu verdrängen. Wirklich, Tante Susie, ich wollte es vergessen, begraben, so tun, als wäre es niemals geschehen. Vielleicht hätte ich es auch geschafft, ich weiß es nicht. Aber dann brach plötzlich diese andere Sache über mich herein. Die Diskrepanzen bei meinen Kundenkonten, die Anschuldigungen, die internen Nachforschungen, die Beurlaubung …« Ihre Stimme brach, aber sie fuhr trotzdem fort: »Es war ein Alptraum, wie eine Wiederholung der Angelegenheiten meines Vaters. Ich habe einfach nicht mehr funktioniert, konnte nicht dagegen ankämpfen, konnte nicht einmal mehr nachdenken. Ich hatte nur noch Angst.«
Kate presste die Lippen zusammen und sah ihre Tante an. »Und erst recht habe ich es nicht über
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