So hell wie der Mond
ihrer Kundin zurückeilte. »Sie denkt, ich hätte ihr ihre Münze geklaut und wäre obendrein wegen all des Stresses übergeschnappt.« Sie warf den Kopf in den Nacken und brach abermals in lautes Lachen aus. »Zuviel Streß ist ja auch wirklich mörderisch.«
»Vielleicht wäre ein Schluck Wasser das richtige«, murmelte Thomas und blickte erleichtert auf, als seine Frau die Treppe heruntergehastet kam. »Kate scheint ein bisschen hysterisch zu sein.«
Umgehend nahm Susan die Flasche Champagner aus dem Eiskühler und schenkte etwas davon in ein Glas. »Trink«, wies sie die Ziehtochter an. »Und dann atme ein paarmal langsam aus und ein.«
»Okay.« Kate befolgte den Befehl, immer noch hysterisch kichernd. »Ihr guckt mich alle an, als hätte ich plötzlich zwei Köpfe oder so. Ich bin nicht übergeschnappt, Onkel Tommy. Das garantiere ich. Aber ich habe einen Teil von Seraphinas Mitgift gefunden. Deshalb bin ich so aufgeregt. Als ich auf den Klippen spazierenging, lag die Münze einfach da. Schimmernd wie ein Penny, aber zugleich viel, viel wertvoller.«
»Sie lag also einfach da«, zischte Margo, als sie mit einer Porzellandose in Form eines Sonnenhuts an ihr vorüberging. »Den Teufel lag sie einfach da! Susan, nimm sie bitte mit nach oben, ja? Ich komme dann auch, sobald ich kann.«
»Gute Idee«, pflichtete Kate ihr übermütig bei. »Oben steht schließlich noch mehr Champagner herum, und den brauchen wir bestimmt.« Sie schob die Münze in ihre Tasche zurück und spielte damit, während sie die Wendeltreppe in den oberen Stock erklomm. Alles der Reihe nach, befahl sie sich und drehte sich auf dem Weg zur Küche nach ihrer Tante um. »Ich muss mit dir reden, Tante Susie.«
»Hmm.« Mit kerzengeradem Rücken trat Susan an den Herd und stellte einen Kessel Wasser auf. Die hübschen kleinen Rundfenster waren geöffnet, so dass eine erfrischende Brise den sommerlichen Lärm der Cannery Row hereintrug.
»Du bist immer noch böse auf mich.« Kate atmete die leichte Brise ein. »Das habe ich auch verdient. Ich weiß nicht, wie ich mich bei dir entschuldigen soll, aber ich hasse die Tatsache, dass ich dir weh getan habe.«
»Und ich hasse die Tatsache, dass du derartige Gefühle hegst.«
Kate trat von einem Fuß auf den anderen, starrte auf die hübsche Glasschale mit frischem Obst, die auf der Anrichte stand, und suchte nach den richtigen Worten für das, was ihr auf dem Herzen lag.
»Ihr habt mir nie irgendwelche Fesseln angelegt. Das habe ich immer selbst besorgt.«
Susan drehte sich zu ihrer Ziehtochter um und sah sie fragend an. »Warum?«
»Ich kann Dinge nicht gut erklären, für die es keine rationale Begründung gibt. Im Umgang mit Fakten bin ich besser als mit Gefühlen.«
»Aber die Fakten kenne ich bereits, nicht wahr?« entgegnete Susan ruhig.
»Du wirst also versuchen müssen, mir deine Gefühle zu erklären, wenn du die Angelegenheit bereinigen willst.«
»So ist es. Ich liebe dich so sehr, Tante Susie.«
Die Worte und das schlichte Gefühl, das ihnen zugrunde lag, besänftigten einen Teil von Susans Ärger. Aber immer noch war sie verwirrt und auch verletzt.
»Das habe ich nie bezweifelt, Kate. Deshalb frage ich mich, weshalb du je Mißtrauen hegen konntest, ob diese Liebe ebenso erwidert wird.«
»Nein, so kann man es nicht sagen. Es ist nur …« Da sie ins Stottern geriet, setzte sich Kate auf einen Hocker und faltete die Hände unter dem Küchentisch. »Als ich zu euch kam, wart ihr bereits eine vollständige Familie. Templeton House, du und Onkel Tommy, alles so offen und perfekt. Wie in einem Traum. Eine ganz richtige Familie!«
Wenn auch wirr, so brachen sich die Worte endlich Bahn. »Da war Josh, der Kronprinz, der zukünftige Erbe, der clevere, wunderbare Sohn. Laura, die Prinzessin, süß und liebreizend und freundlich ohne jedes Maß. Margo, die kleine Königin. Strahlend schön und so ungeheuer selbstsicher. Und da war ich, verwundet und mager und linkisch, wie das häßliche Entlein, das nirgendwo dazugehört. Das macht dich wütend«, sagte sie, als sie Susans Augen blitzen sah. »Aber ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll.«
Sie zwang sich, langsamer zu sprechen, ihre Worte sorgsamer auszuwählen, um ihrer Tante nicht abermals weh zu tun. »Ihr wart alle so lieb zu mir. Ich meine nicht nur das Haus, die Kleider und das Essen, das ihr mir gegeben habt. Ich meine nicht die Dinge, Tante Susie, obwohl sie einem Kind, das aus einer bestenfalls
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