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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Prediger am Baum hing.
    Sverre widmete seine Aufmerksamkeit dem weißen Eisbär-Raupenfahrzeug. Hatten Wengernook, Tarmac und Paxton die Exekutionen mitangeschaut? Welche merkwürdigen Empfindungen mochten ihr rotes Blut durchrauschen? Ob sie weinten? Aufgrund der geringen Erfahrungen, die er mit der Geborenen-Mentalität gesammelt hatte, bezweifelte Sverre, daß sie sich mit der kosmischen Tragweite der Stunde angemessenen Gedanken beschäftigten.
    Amerikas für Internationale Sicherheitsangelegenheiten zuständiger Staatssekretär des Verteidigungsministeriums schien zu Wackelpudding geworden zu sein. Vier Gardisten mußten seine erschlaffte, zittrige Gestalt zu dem Killerbär-Fahrzeug tragen. Sie zogen ihn aufs Wagendach wie einen Sack Altkleider, stellten ihn hin, keilten ihn zwischen ihren muskulösen Schultern ein. Sverre erinnerte sich an die Videokassette, die das Tribunal ihm gegeben hatte, bevor er zur Erledigung von Operation Erebus auslief. »Hierauf ist der Mann zu sehen, den wir haben wollen«, hatte man ihm gesagt. »Sie können sie sich an Bord anschauen.« Das Video war die Aufnahme einer Reklamesendung für ARES-Monturen gewesen, wohlgemeint hingemurkst durch einen nervösen Robert Wengernook; der Staatssekretär hatte den Konsumenten weisgemacht, es hätte sich bei den ARES-Monturen um einen Beitrag zur Abschreckung gehandelt, jedoch vergessen, ihre außerordentliche Nützlichkeit unter den Wetterbedingungen der Antarktis herauszukehren. »Denken Sie daran«, hatte er gesagt, »daß jede Abschreckung nur soviel taugt wie die Menschen, die sich damit schützen.«
    Ein Gardist steckte Wengernook eine Zigarette zwischen die Lippen; sie wippte wie eine Kompaßnadel, die auf einen vorbeigeführten Magneten reagierte, fiel ihm schließlich aus dem Mund. Sverre schnitt eine Grimasse. Operation Erebus war ein Mißgriff. Es fehlte ihrvöllig am Romantischen höherer Gerechtigkeit.
    »Haben Sie noch etwas zu sagen?« rief Ramos dem Staatssekretär zu.
    Wengernook fing zu würgen an. Sobald er baumelte, brauchte er nur zwei Minuten zum Sterben.
    Das nahe Unwetter ballte seine Kraft. Böen durchfegten die Bäume, wirbelten die vier Toten umher. Zweige flogen fort, gefrorene Apfelsinen prallten auf den felsigen Boden. Henker Tarmac strebte durch Schneegestöber zu dem mobilen Schafott – seine Schritte fielen selbstsicher, gemessen und ruhig –, kletterte auf das Fahrzeug.
    Durch sein Gummiauge lenkte Sverre seine Gedanken zurück in die Zeit, in der er an die Berechtigung des Tribunals geglaubt, zu dem Nachmittag, an dem Tarmac in seine Kabine gestürmt war und einen Vergeltungsschlag gefordert hatte. Damals hatte er den Generalmajor nicht ausstehen können, doch heute bemerkte er bei ihm Eigenschaften, die zusammengefaßt als Adel zu bezeichnen er kaum gezögert hätte. An Geborene mußte man sich erst gewöhnen. Er öffnete sein heiles Auge und sah Tarmac, an Händen und Füßen gefesselt, um den Hals die Schlinge, gelassen auf dem schwarzen Fahrzeugdach stehen. HOPPEL-Häschen grinste die Zuschauer an, als der Scharfrichter ihm das geliebte tragbare Raketengeschoß ins Gürtelhalfter schob.
    »Wollen Sie noch etwas sagen?« rief Ramos ihm zu.
    »Ich habe nur zu sagen, daß ich unschuldig bi…«
    Der Scharfrichter zog die Schlinge zu. Das Stahlkabel schrammte den Hals des Generalmajor auf bis aufs Blut. Mit einer ebenso würdigen, unbekümmerten wie selbstgefälligen Gebärde lehnte Henker die Lederhaube ab.
    Das Killerbär-Raupenfahrzeug brummte ein Stück vorwärts, aber der Generalmajor schien seinerseits ein stählernes Genick zu haben, es mochte nicht brechen. Für kurze Zeit tanzte er inmitten der Schneeflocken, die ihn in Schwällen umwehten, ermüdete dann, seine Bewegungen erlahmten. Doch als der Arzt vortrat, stieß Henker ihm einen harten, vereisten Stiefel ins Gesicht. Unverzüglich griff Ramos ein, befahl zehn Gardisten, sich in einer Reihe aufzustellen. Verzerrt feixte HOPPEL-Häschen, als das Exekutionskommando die Gewehre anlegte. Der Feuerbefehl erscholl. Hellrotes Blut spritzte, rotes Geborenenblut rann das zerfetzte Vorderteil von Henkers ARES-Montur hinab, sprenkelte das Eis, dann war es vorbei, hatte Tarmac doch noch einen Soldatentod gefunden.
    Sverre trank Gin und beobachtete das weiße Eisbär-Raupenfahrzeug. Konnte Paxton unter diesen Umständen an Sexuelles denken? War es ihm und Dr. Valcourt vor ihrer unwiderruflichen Trennung noch gelungen, den Geschlechtsverkehr zu vollziehen?

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