Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
gegen die in den Heimatländern der Beklagten gültigen Gesetze, eines Aggressionskriegs.
    Anklagepunkt Zwei. Kriegsverbrechen: Des Einsatzes ausdrücklich für die willkürliche Zerstörung von Städten und der Massakrierung ziviler Bevölkerungsmassen sowie für weitere Verstöße gegen Regeln und Bräuche der Kriegsführung geschaffener Waffen.
    Anklagepunkt Drei. Verbrechen gegen die Menschheit: Namentlich der Verwüstung der Biosphäre, der allgemeinen Strahlenverseuchung, des Zufügens überflüssiger Körperschäden, unnötigen Leidens sowie anderer grausamer und barbarischer Handlungen.
    Anklagepunkt Vier. Verbrechen an der Zukunft: Namentlich Planung und Vorbereitung eines Krieges zur Ausrottung der menschlichen Rasse.
     
    »Davon ist kein Wort wahr«, flüsterte George seinen taufrischen Spermatiden zu. Ein Geierexperte. Wenn die Verteidigung einen Geierexperten auftrieb, konnte man ihm absolut nichts am Zeug flicken.
    »Das Tribunal vernimmt nun die Angeklagten«, sagte Richter Woiziechowski. »Robert Wengernook, würden Sie bitte vor den Richtertisch treten?«
    Das Gesicht zu einem gehässigen Feixen verzerrt, kam der Staatssekretär des Verteidigungsministeriums der Aufforderung nach.
    »Welche Stellungsnahme geben Sie zu den in der Anklageschrift gegen Sie erhobenen, einzeln aufgeführten Anklagepunkten ab – schuldig oder unschuldig?«
    »Im Sinne der Anklage nicht schuldig«, antwortete Wengernook mit einer Glaubwürdigkeit, die George, wie er befürchtete, nicht nachahmen würde können.
    So ging die Befragung durch die ganze Reihe der Angeklagten weiter. Nur Pastor Sparren wich von der Regel ab und bezeichnete sich als »Sünder, geradeso schuldbeladen wie Adam und Eva, aber in Erwartung der baldigen Erlösung durch den Menschensohn.«
    »Wir protokollieren Ihre Aussage als Unschuldsbeteuerung«, sagte Richter Woiziechowski. »George Paxton, würden Sie bitte vor den Richtertisch treten?«
    Zehntausend Annulliertenaugen durchbohrten George mit ihren Blicken, während er von seinem Platz aufstand und durch den Gerichtssaal tappte.
    »Welche Stellungnahme geben Sie zu den in der Anklageschrift gegen Sie erhobenen, einzeln aufgeführten Anklagepunkten ab – schuldig oder unschuldig?«
    »Im Sinne der Anklage nicht schuldig.« Die Deckengewölbe äfften seine Äußerung nach, betäubten sein Gehör mit der seltsamen Klangfarbe einer öffentlichen Variante seiner Stimme.
    Am Tisch der Verteidigung entfaltete man hastig Aktivitäten. Martin Bonenfant sprang auf, sah dabei jünger denn je aus. »Hohes Gericht, wir sehen uns zu diesem Zeitpunkt gezwungen, die Rechtmäßigkeit und Zuständigkeit des Tribunals anzufechten.« Flink zog er mit einem Dokument kleine Spiralen in der Luft. »Wir verlangen, daß Sie unserem Antrag auf unverzügliche Einstellung des Verfahrens stattgeben.« Er stapfte nach vorn und klatschte die Urkunde auf den eisigen Richtertisch.
    »Mit welcher Begründung?« fragte Richterin Jefferson.
    »Mit der Begründung, daß die in der McMurdo-Sund-Konvention spezifizierte Abschreckungsstrategie vor dem Krieg in keinerlei nationalen oder internationalen Statuten als Verbrechen eingestuft gewesen ist. Infolgedessen steht dieses Tribunal im Gegensatz zum fundamentalsten Prinzip der Justiz: Nullum crimen sine lege previa, kein Verbrechen ohne vorher bestehendes Gesetz. Folglich ist das Tribunal eine Institution ex post facto und zum alleinigen Zweck der Verurteilung konstituiert worden. Die sechs Männer auf der Anklagebank sind keine Angeklagten, sondern Sündenböcke. Ferner wenden wir ein, daß das Hohe Gericht, da es selbst aus Annullierten besteht, voreingenommen ist und deshalb kein Urteil über Menschen fällen darf, gegen die die Angehörigen der Annulliertenvölker eine ausgeprägte affektive Abneigung empfinden.«
    Die Vorsitzende Richterin lächelte und sah in diesem Moment aus, als klappte jemand den Deckel von den Tasten eines Klaviers hoch. Sie setzte ihre mit einem Gestell aus Walbein gefertigte Brille ab. »Falls Sie wahrhaftig die dem Verfahren zugrundeliegenden Rechtstraditionen vergessen haben sollten, Mister Bonenfant, empfehle ich Ihnen, Ihre Aufmerksamkeit dem Dokument zu widmen, das bei der Formulierung der Anklageschrift zum Vorbild genommen worden ist, nämlich das Londoner Abkommen des Jahres 1945, das einen internationalen Gerichtshof dazu ermächtigt hatte, mit dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß in Deutschland Nazi-Kriegsverbrecher abzuurteilen. Was Ihren

Weitere Kostenlose Bücher