So nah bei dir und doch so fern
4 lag und mir eine Kochsendung anschaute, klimperte er mit den Schlüsseln seines neuen Honda vor meinen Augen und gestand, was er getan hatte.
Ich hasste ihn deswegen und zeigte es ihm mit meinen Augen. Voller Zorn wendete ich den Blick von ihm ab. Wieder war es eine von Marks Handlungen, die den Kampfgeist in mir mobilisierte. Ich stellte mir vor, wie ich in einem roten MINI Cooper Cabrio über die Feldwege in Dore rauschte. Ich würde nicht nur wieder gehen, sondern ich würde auch wieder fahren, und wenn Mark wusste, was gut für ihn war, würde er mir auch ein neues Auto kaufen.
Eine weitere von Marks regelmäßigen Fluchten war das Mountainbiken. Wenn ich laufen gegangen war, hatte ich die Zeit genutzt, mir über Dinge Gedanken zu machen, die mich stressten. Die frische Luft machte meinen Kopf frei und verschaffte meinem Geist den Raum, Atem zu holen. Einige der besten Marketing-Ideen waren mir während eines morgendlichen Laufs gekommen. Bei Mark war es das genaue Gegenteil. Wenn er über die Feldwege rund um Dore radelte, befreite er sich von sämtlichen Gedanken in seinem Kopf. Als ich im Krankenhaus lag, überraschte es Mark, wie problemlos er nachts schlafen konnte. Er war so erschöpft, dass er sofort in tiefen Schlaf fiel, sobald sein Kopf um zehn Uhr abends das Kopfkissen berührte. Keine Albträume, kein ruheloses Nachdenken, einzig unbeschwerter Schlummer bis zum nächsten Morgen.
Wachte er früh auf, setzte er sich manchmal um fünf Uhr morgens aufs Rad, während die Kinder und Großeltern noch im Bett lagen und die ganze Welt schlief. Diese Ausflüge hinderten ihn daran, das Bett zu hüten und sich mit seiner misslichen Lage zu beschäftigen. Das hatte er schon immer so gehalten, und es gab ihm das Gefühl, eigentlich sei alles normal.
Allerdings bescherte ihm diese Gewohnheit unbekümmerter Ausflüge auf dem Rad ziemlichen Ärger mit einer der Schwestern in Osborn 4. Eines Samstagnachmittags sagte Mark während seines Besuchs zu mir: »Der Morgen war ziemlich hektisch. India wollte, dass ich sie zu Charlotte kutschiere, weil Alison versprochen hatte, mit den beiden ins Kino zu gehen. Danach musste ich Woody zum Schwimmunterricht bringen und hatte eine Stunde Zeit, also habe ich mir das Rad geschnappt und bin gefahren.«
» WER PASSTE AUF HARVEY AUF ?«, blinzelte ich.
»Niemand«, kam die Antwort.
Einmal mehr handelte sich Mark einen meiner »vernichtenden Blicke« ein. Er versuchte sein unverantwortliches Handeln zu entschuldigen, indem er sagte: »Es waren doch nur fünfzig Minuten, und Harvey meinte, er käme alleine zurecht.«
Ich begann vor Wut zu heulen, nicht nur, weil sich Mark so unverantwortlich verhalten hatte, sondern auch, weil ich mich schuldig fühlte. Ich hätte dort sein und mich um Harvey kümmern müssen, statt in einem Krankenhaus zu liegen und mir Saturday Kitchen anzusehen.
Eine Schwester hatte die Auseinandersetzung mitbekommen und sagte: »Das war alles andere als gut.«
Die Zurechtweisung saß. Mark ließ die Kinder danach nie mehr alleine zu Hause. Falls er es doch getan hat, erzählte er mir nicht davon.
KAPITEL 20
»Du bist nicht meine Mutter. Ich hasse dich!«
I m Leben eines normalen Familienverbands stehen die Großeltern für Vergnügen und Leckereien. Hausaufgaben, ins Bett schicken und die Kinder zur Schule bringen zählen nicht zu ihren Aufgaben. All diese bösen Regeln sind das Werk von Mama und Papa. Während es mir im Krankenhaus so schlecht ging und Mark Arbeit, Haushalt und die Besuche bei mir unter einen Hut bringen musste, blieb beiden Großelternpaaren nichts anderes übrig, als eine Art von Disziplin einzuführen, und meinen Kindern schmeckte das überhaupt nicht.
Ich hätte alles dafür gegeben, zu Hause zu sein, an der Schule auf das Ende des Unterrichts zu warten, Woody zu seinem Klavierunterricht zu fahren und Butterbrotpakete für das wöchentliche Schwimmtraining fertig zu machen. Ich freute mich auf den Besuch meiner Kinder an den Sonntagnachmittagen. Doch sie waren kein Ersatz für ein Beisammensein mit ihnen bei uns zu Hause.
Mental ermutigten mich ihre Besuche, noch härter dafür zu arbeiten, dass es mir besser ging. Ich hasste es, eine Außenstehende zu sein und zuschauen zu müssen, wie andere gezwungen waren, meine Kinder großzuziehen. Ganz zu Anfang hatte ich jede Unterhaltung über die Kinder abgeblockt, da es zu schmerzhaft war, jetzt wollte ich wieder im Mittelpunkt ihres Lebens stehen. Ich wollte nicht mehr die
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