So nah bei dir und doch so fern
nur eine kurze Taxifahrt vom Krankenhaus entfernt. Auf dem Gelände einer ehemaligen Stahlfabrik errichtet, mit 280 Geschäften unter einem Dach und rollstuhlfahrerfreundlichen Zugängen, war es genau der richtige Ort, mit einem Programm des Frustshoppens zu beginnen. Wenn Patienten für einen Tagesausflug bereit waren, empfahlen ihnen die Mitarbeiter von Osborn 4, dorthin zu gehen. Ich hatte Alison bereits klargemacht, dass wir uns ins Meadowhall zum Kaffee trinken aufmachen sollten, sobald ich wieder etwas trinken konnte. Früher, als ich noch als Marketingmanagerin für ein Unternehmen gearbeitet hatte, das dreizehn Restaurants im Meadowhall besaß, war ich regelmäßige Besucherin des Einkaufszentrums gewesen und hatte es genossen, viel unterwegs zu sein. Zu meinem vierzigsten Geburtstag wollten mir Marks Eltern eine Uhr schenken, daher beschlossen Alison und meine Mutter, die Geschäfte zu stürmen und zu kaufen, kaufen, kaufen.
Bevor es allerdings losgehen konnte, gab es noch das kleine Problem mit meinen Haarwurzeln. Als Friseurin war Alison peinlichst darauf bedacht gewesen, die ersten Anzeichen von ergrauendem Haar bei mir zu vertuschen. Unterhalb meines kupferbraunen, schulterlangen Haars war ich vollständig grau, doch dank der sechswöchentlichen Behandlung durch Alison war es mir immer gelungen, diese Tatsache zu kaschieren.
Jetzt lag mein letzter Friseurtermin drei Monate zurück. Das Haar war stachelig gewachsen, trocken und grau, doch mir war egal, wie ich aussah. Mir ging der ganze Rummel am Allerwertesten vorbei. Ich wusste, dass ich beschissen aussah und es mehr als nur eines Eimers Kupferfarbe bedurfte, um etwas daran zu ändern. Solange ich unter der Brustinfektion gelitten hatte, gab es eine Entschuldigung: Das Pflegepersonal glaubte, der Ammoniakgeruch des Haarfärbemittels könne mich unnötig gefährden. Jetzt gab es jedoch keine Ausrede mehr, und Alison bestand auf ihrem Großeinsatz.
»Auf keinen Fall!«, protestierte ich. Doch Alison hatte grünes Licht von den Schwestern bekommen und erschien eines Morgens vor der täglichen Bad- und Duschroutine mit ihrer Friseurs-Werkzeugtasche und Anita im Schlepptau als Assistentin. Sie machte sich daran, die Farbe anzumischen und sie so gut es eben ging auf das bisschen Kopf zu schmieren, das zu erreichen war, während ich im Bett lag und keine Möglichkeit hatte, mich zur Wehr zu setzen. Danach hoben mich die Schwestern aus dem Bett auf die Plastikduschliege und schoben mich in den Duschraum, wo ich ausgezogen und die Farbe aus meinem Haar gewaschen wurde.
Ich erinnere mich noch, dass mir das viel zu viel Wirbel war, ausgezogen und geduscht zu werden, nur um mein Haar zu färben, doch Alison ließ nicht locker.
Tief im Innersten freute ich mich schon sehr auf den Einkaufstrip; ein Teil der alten Kate war noch vorhanden, und der wollte raus aus der Abteilung und sich vergnügen. Ein Nachmittag im Einkaufsparadies war ein Schritt in die richtige Richtung. Andererseits hatte ich auch Angst. Vier Monate lang war ich nicht mehr außerhalb des Krankenhausregimes von Therapie, Duschbad, Ärzten, Pflegepersonal und Besuchern gewesen. Ich fühlte mich aufgehoben in einer Welt, in der jeder um mich herum irgendein Leiden hatte, und in meinem jetzigen Zustand war ich noch nicht bereit, meine Umgebung zu verlassen. Ich sabberte ständig, ich war in einem Rollstuhl angebunden, der Kopf musste festgehalten werden, die Arme wurden durch Kissen gestützt, und ich fühlte mich meinem Aussehen entsprechend – ein Häufchen Elend.
Als der große Tag gekommen war, eskortierten mich zwei Schwestern, Sara Bob und Sara klein, im hinteren Teil eines speziell ausgebauten Taxis auf meiner Fahrt, während meine Mutter, Alison und Anita mit dem Auto folgten. Nachdem wir im Einkaufszentrum angekommen waren, verschwanden die Saras im Getümmel und überließen es meiner Mutter und den Freundinnen, mich durch die Geschäfte zu fahren.
Um mein psychisches Wohlergehen besorgt, hatten Alison und meine Mutter einen Plan ausgeheckt, wie sie mich schützen konnten, falls wir irgendwelchen Bekannten begegnen sollten, die die Schlaganfall-Kate zum ersten Mal sahen. Im Großen und Ganzen lief es darauf hinaus, mit mir in die entgegengesetzte Richtung zu flitzen, damit ich den Leuten keinen Schock versetzte – und, was noch wichtiger war, deren Reaktion mich nicht erschrecken würde.
Alles lief gut, und wir fuhren von einem Juwelierladen zum nächsten, um uns an den Angeboten
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