So nah bei dir und doch so fern
fahren. Ich fragte mich, ob die Zukunft so für mich aussah: Das Leben ging für alle völlig normal weiter, außer für mich.
Zwei Tage nach der Abreise von Mark und den Kindern brachte mir eine der Schwestern den Ausdruck einer E-Mail von Mark:
Dachte mir, ich sollte dir kurz mitteilen, dass wir eine E-Mail-Adresse für den PC von Osborn 4 haben. So können die Leute dich dies hier lesen lassen, und dann weißt du, was wir so treiben. Der Urlaub fing gleich gut an. Packen. Krempel der Kinder war gepackt, meiner auch, so weit, so gut. Aber denkste, der Gepäckträger passt nicht auf das neue Auto. Das fehlt einem gerade noch, sechs Stunden vor der Abreise. Blieb mir nichts anderes übrig, als zu Halfords zu fahren und einen neuen zu kaufen. Ergatterte einen, und sieht ganz danach aus, als müsste ich den alten über eBay verscherbeln.
Haha!, dachte ich. Das wäre dir nicht passiert, wenn ich da gewesen wäre und alles organisiert hätte.
Wir also um 3.10 Uhr morgens los. Nur wir vier, das war schon ein bisschen surreal. Es gibt einen neuen Rekord. Waren gerade drei Kilometer auf der Autobahn, da wurde India schlecht. War aber gut, dass du mir von den Kotzbeuteln erzählt hast, Schaden hielt sich in Grenzen. Sie konnte noch nicht mal die Schuld darauf schieben, dass sie hinten saß, weil sie vorne auf deinem Sitz saß!
Zu wissen, dass India bereits meinen Platz in der Mutterrolle eingenommen hatte, war nicht tröstlich. In der E-Mail zählte Mark auf, was sie am Wochenende alles gemacht hatten: mit dem Boogiebrett am Strand vergnügt, Familienessen im Wohnwagen, Läufe entlang der Küstenwege und Tage draußen im Nieselregen. Was er nicht erwähnte, war die Tatsache, dass er sich nach der Ankunft ins Schlafzimmer zurückgezogen und hemmungslos geweint hatte. Am Schluss der E-Mail stand:
Müssen ständig an dich Kuschel-Faulenzer denken. Ohne dich ist es schwer. Kate, hab dich wahnsinnig lieb,
Mark XXXXXXX
Später brachte ich eine der Schwestern dazu, mich in das Schwesternzimmer zu fahren, wo ich eine Antwort schrieb:
Ich bin so froh, dass ihr alle Spaß habt. Ich tippe das hier. Meine rechte Hand funktioniert jetzt wieder richtig, ebenso rechte Schulter, werde wieder gehen. Ich trainiere unheimlich hart. Bin froh, dass ihr mal Pause machen könnt mit der Betreuung von mir. Ihr wirkt beide müde. Anita ist toll. Sie und Bill haben für Donnerstag einen Park in der Nähe des Krankenhauses gefunden. Prima, dass Indi Surfunterricht nimmt. Dave war gestern fantastisch, als ich das Flattern hatte. Wünsche euch schöne Ferien, aber nicht zu schön ohne mich. Ich genieße etwas Freiheit an der Tastatur. Ich liebe euch und bin mächtig stolz auf euch.
Alles Liebe, Kate XXXXXXX
PS : Schreibt mal wieder.
Am Morgen meines Geburtstags erreichte mich eine weitere E-Mail von Mark mit herzlichen Glückwünschen und persönlichen Grüßen und Küssen von jedem der Kinder. Anita war gekommen und bewahrte mich vor einem völlig verkorksten vierzigsten Geburtstag, indem sie dafür sorgte, dass sie mich wenigstens für ein paar Stunden aus meiner Krankenhauszelle entführen durfte. Das war alles, was die Schwestern erlaubt hatten.
Obwohl mein Trachi entfernt worden war, hatte ich immer noch große Schwierigkeiten mit dem Atmen und musste in einigermaßen regelmäßigen Abständen abgesaugt und beatmet werden. Immerhin war Anita nicht abgewimmelt worden, und nach mehreren Gesprächen mit meinen Therapeuten und Fachärzten kam man überein, ich würde es maximal drei Stunden in meinem Rollstuhl aushalten, bevor mein Hintern taub würde.
Ich hatte eine Gästeliste erstellt, auf der standen meine Schwester Abi, Marks Schwester Jo, einige alte Schulfreundinnen von mir und verschiedene Mütter mit ihren Kindern, deren Ferien gerade halb beendet waren. Als Treffpunkt hatten wir den Rivelin Valley Country Park gewählt, weil er in der Nähe des Krankenhauses lag und die Anfahrt uns nicht zu viel Zeit kosten würde. Ein Krankenwagen war gebucht, und da es sich um einen besonderen Anlass handelte, hatte man mir erlaubt, ohne Begleitung einer Schwester auszugehen.
Allerdings wurde Anita, bevor wir das Krankenhaus verlassen durften, offiziell zu meiner Begleiterin ernannt, und sie musste einen Crashkurs in Krankenpflege über sich ergehen lassen, falls irgendein Unheil drohen sollte. Man zeigte ihr, wie man das Beatmungsgerät bediente, für den Fall, dass sich meine Atmung verschlechterte.
Zum Glück lief bei mir alles
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