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So nah bei dir und doch so fern

So nah bei dir und doch so fern

Titel: So nah bei dir und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Allatt
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herumschwirrte.
    Mit schierer Willenskraft und Entschlossenheit hatte er dem Lektor in mühevoller Kleinarbeit jeden einzelnen Buchstaben seines Buchs zugeblinzelt. Das Buch wurde nicht nur zu seinem Vermächtnis für die Welt, es diente auch als Vorlage für einen preisgekrönten Film und vermittelte dadurch einem breiten Publikum die entsetzliche Situation eines Menschen mit Locked-in-Syndrom.
    Beim Lesen seines Buchs verstand ich Baubys Misstrauen gegenüber der Ärzteschaft, sein hohes Maß an Verbitterung und Zorn, ebenso die Freude beim Anblick seiner Kinder. Das Buch machte mir aber auch klar, dass ich eine weitergehende Geschichte zu bieten hatte, und dies bestärkte mich darin, Notizen für meine eigene Version niederzukritzeln.
    Im Gegensatz zu Bauby konnte und wollte ich nicht zulassen, dass ich mich mit einer Fantasiewelt tröstete. In meinen Augen war Fantasie eine Form von Nachgiebigkeit und Schwäche, und mit Tagträumerei verbrachte Zeit, in der es nur darum ging, wie es früher einmal gewesen war und nie wieder sein würde, lenkte mich nur von dem Weg ab, der nach vorne führte – wieder gesund zu werden.

    Ohne Mark und die Kinder schleppten sich die Tage und Wochen hin, doch als sie endlich nach Hause kamen, war ich so erleichtert, sie endlich wiederzusehen, dass mein Ärger verrauchte.
    Außerdem hatte ich eine erfreuliche Nachricht für sie. Am kommenden Wochenende durfte ich zum ersten Mal bei ihnen übernachten. Es war der Anfang der Zielgeraden, am Horizont winkte das Zuhause.

KAPITEL 33

Weshalb muss ich um alles kämpfen?
    M anchmal hatte ich das Gefühl, meine Genesung sei ein ewiger Kampf: Ich alleine gegen die gesamte Ärzteschaft. Bei diesen Gelegenheiten dachte ich mich in die Rolle von Hollywoods Boxer-Legende Rocky hinein. Als junges Mädchen hatte ich die Rocky -Filme geliebt, teilweise weil ich während der Schulzeit mächtig für Sylvester Stallone schwärmte. An Tagen, an denen ich glaubte, die ganze Welt habe sich gegen mich verschworen, stellte ich mir vor, ich sei der Underdog-Kämpfer Rocky in der blauen Ecke und die Übermacht der Fachärzte vom Northern General Hospital seien der Schwergewichtsmeister Apollo Creed in der roten Ecke. In meinem Kopf summte ich die Rocky-Melodie und pushte mich zum Sieg.
    Es galt, viele Kämpfe durchzustehen, während ich die Tage bis zu meiner ersten Übernachtung bei uns zu Hause und die Wochen bis zu meiner endgültigen Entlassung herunterzählte. All die medizinischen Tests, die ich zu bestehen hatte, und die unzähligen Prozeduren, die ich über mich ergehen lassen musste, schienen zu einem Komplott gegen mich zu gehören; Tag für Tag hatte ich das Gefühl, einem Geduldsspiel ausgesetzt zu sein. Ich schlug mich mit meinen Ärzten und Therapeuten herum, die auch noch andere Patienten zu betreuen hatten und nicht verstanden, weshalb ich es so eilig hatte, die Dinge zu erledigen. Die Uhr tickte, und jeder Tag, den ich damit verbrachte, darauf zu warten, dass sich ein Facharzt bequemte, die Testresultate zu begutachten oder Anweisungen zu geben, war ein Tag weniger vom Rest meines Lebens. Während sich die Wochen hinzogen, sank meine Motivation, und ich wünschte mich sehnlichst nach Hause.
    Ich hatte bereits einen Plan. Per E-Mail hatte ich mich mit dem Geschäftsführer des örtlichen Esporta-Freizeitzentrums in Sheffield in Verbindung gesetzt und ihn gefragt, ob er mir helfen wolle, wieder gehen zu können. Ich köderte ihn mit dem Vorschlag: »Wenn Sie mir eine kostenlose Mitgliedschaft geben und dafür sorgen, dass ich Weihnachten wieder laufe, ist das eine tolle Werbung für Ihr Fitnessstudio.«
    Der Geschäftsführer zeigte sich meinem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen. Sein eigener Vater hatte einen Schlaganfall erlitten und war vor seinem Tode verbittert und schwermütig geworden, daher unterstützte er meine Entschlossenheit, wieder hundertprozentig fit zu werden.
    An einem meiner Tagesausflüge aus dem Krankenhaus fuhr mich Alison zu einem Treffen mit ihm, und wir einigten uns auf ein lang angelegtes Fitness-Programm. Mit dieser Aussicht im Hinterkopf erschien mir die Physiotherapie des Krankenhauses langsam und mühsam, und ich drängte danach, dass es endlich voranging.
    Ich wollte in der Lage sein, meine Blase zu beherrschen, um den Katheterbeutel loszuwerden. Ich wollte in unserem Haus die Treppe zum Badezimmer hinaufsteigen, und ich verlangte, dass man mir die PEG entfernte. Aus medizinischer Sicht stand keines dieser

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