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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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Beitrittswunsch löste deshalb auf der Insel eine Frage aus, die sich andere Kandidaten in dieser Klarheit nicht stellen müssen.
     Sie lautet: Was eigentlich geben Staaten auf, die entscheiden, sich in die Europäische Union des Lissabon-Zeitalters einzubinden?
     Er hätte, deutet Außenminister Skarphédinsson an und wischt sich den Schnupftabak von der Nase, schon noch ein paar Wünsche,
     bevor er sein Land der EU beitreten lassen möchte. Welche er meint, das erfährt man am greifbarsten außerhalb seines Büros.
    Steindór Oliversson hat große Lust zu erzählen, was er von der EU hält. Am besten, schlägt er vor, treffe man sich an seinem
     Lieblingsplatz. Es ist ein Stein außerhalb des Hafenstädtchens Akranes. Die kleine Bucht, in der er liegt, bietet etwas Schutz
     vor dem Wind, der von den hohen abgeschliffenen Berghängen im Hinterland herunterfällt. Ein wunderbarer Ort sei es hier, sagt
     Oliversson, um Vögel zu beobachten. Er kramt in seinem Blaumann, zieht eine Pfeife heraus und klopft sie am Basaltstein aus.
     Sein Vollbart umwuchert den Großteil des Gesichts, und aus der Baseballkappe hängt ein angegrauter Zopf heraus. Seit 23   Jahren ist Oliversson Fischer. Jeder Dorsch und jeder Schellfisch, den er aus dem Nordatlantik zieht, ist Lohn harter Handarbeit.
     Von einem sechs Meter langen Holzboot aus bringt der 5 6-Jährige lange Leinen mit Köderhaken aus. Jeder von ihnen ist so groß wie eine Wäscheklammer. Vor ein paar Jahren, erzählt er, sei
     ihm einer davonins Auge geflogen. »Aber ich habe trotzdem noch die Leinen zu Ende eingeholt«, sagt er. Erst dann fuhr er heim zum Arzt, der
     ihm das Auge gerade noch retten konnte.
    Diese Geschichte handelt von der Frage, wie weit Menschen, die Entscheidungen treffen, entfernt sein dürfen von den Menschen,
     die diese Entscheidungen
be
treffen. Steindór Oliversson fürchtet, dass das Risiko, das sein Beruf mit sich bringt, sich nicht mehr lohnt, sobald ihm
     Leute hineinreden, die in irgendwelchen Büros in Brüssel sitzen. Jedes Jahr, sagt er, muss er eine Fangquote vom isländischen
     Staat kaufen. Die sei sehr teuer. Aber das sei gut so, denn auf diese Art verschwende kein isländischer Fischer ein Gramm
     seines Fangs. Oliversson und seine Berufskollegen müssen Kredite aufnehmen, um sich die jährlichen Anlande-Erlaubnis leisten
     zu können. Was passiert mit den Fanggründen, fragt er, wenn irgendwelche Bürokraten, die noch nie auf Island waren, viel zu
     hohe Fangquoten festsetzen, die noch dazu gratis zu haben sind? Was, wenn als Ergebnis irgendwelcher diplomatischer Klüngelrunden
     in Belgien die Fischbestände hier in der Bucht von Akranes ruiniert werden?
    »Ich sage ja nicht, dass das in Brüssel schlechte Menschen sind«, meint Oliversson. »Aber sie sind so weit weg. Verstehen
     die überhaupt etwas von unserer See?« In Island beschäftigen sich unentwegt Meeresbiologen mit dem Zustand der Fischschwärme
     rund um die Insel, sie forschen und zählen und geben ihre Empfehlungen an die Regierung weiter. »Ich traue ihnen«, sagt Oliversson,
     »denn ich kenne sie.« Gemäß den Regeln der europäischen Fischereipolitik hingegen würden die isländischen Meeresbiologen ihre
     Empfehlungen wie die Experten anderer Länder an die Brüsseler Kommission weitergeben. Wie hoch die Quoten anschließend veranschlagt
     werden, orientiert sich nicht allein am isländischen Interesse. Sondern auch an den Wünschen aller europäischen Staaten, deren
     Kutter dann an die Küsten der Insel heranfahren könnten. »Außerdem, wenn schnell mal etwas geklärt werden muss«, fügt Oliversson
     hinzu und legt die Faust ans Ohr, »kann man da in Brüssel doch keinen anrufen.«
    Was der Fischer mit dieser intuitiven Geste formuliert, verrät viel über ein schwelendes Strukturproblem der EU.   Viele Entscheidungen werden in einer Entfernung von den Betroffenen getroffen, die nicht zur Weisheit der Regelungen beiträgt.
     In Island fällt dieser Graben zwischen Bürgern und Gesetzgeber besondersauf. Aufgrund seiner geografischen Lage war das Land isoliert, es gab keine Nachbarn, mit denen es sich arrangieren musste.
     Das kulturelle Erbe ließ eine stark traditionelle, bürgernahe Demokratie wachsen. Die geringe Bevölkerungszahl erlaubt zudem
     eine »Politik der einen Ebene«. Es gibt, lässt man Gemeinde- und Regionenverwaltung außer Acht, nur eine legislative Instanz,
     das Althing mit seinen gerade einmal 63   Abgeordneten. Die E-Mail -Adressen

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