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So schoen Tot

So schoen Tot

Titel: So schoen Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke , Sandra Luepkes
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ernsthaft, ob ich auf den Höhepunkt des Sultan-Badeservice-Programms, die Türkische Massage auf dem Nabelstein, verzichten sollte.
    »Einen Moment!«, bat ich. »Eine kleine   …«
    »Sit!«, knurrte
das Gerippe
und knallte mich auf den Nabelstein.
    Ich saß nicht, ich lag. Auf dem Bauch, das Gesicht auf den heißen Stein gepresst. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Ein Eindruck, der sich bestätigte, als Garrys Kopf in mein Blickfeld geriet.
Das Monster
hatte auch ihn mit voller Wucht auf das Marmorpodest geklatscht, keinen halben Meter von mir entfernt.
    Garry starrte mich aus schreckgeweiteten Augen an. »Was ist bloß los mit denen?«
    »Keine Idee«, keuchte ich. »Ich   …«
    Weiter kam ich nicht.
Das Gerippe
hatte sich den Unterschenkel meines linken Beins gegriffen und so weit angewinkelt, dass die Fußsohle meinen Rücken berührte. Vermutlich rissen gerade sämtliche Sehnen und Bänder, die dafür infrage kamen.
    »Nein!«, wimmerte ich. »Bitte nicht!«
    Das Gerippe
lachte. Ein tiefes, erdiges Lachen, das von Herzen kam.
    »Was haben Sie sich dabei gedacht?«
    Wie?
    »Sie verstehen mich sehr gut, Mister.«
    Er sprach ein nahezu perfektes Englisch, mit leichtem Akzent.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie   … Ohhhuhhh!« Er hatte das linke Bein losgelassen und machte sich jetzt über das rechte her.
    Garry schrie ebenfalls vor Schmerzen. Meine Ahnung von vorhin hatte sich bestätigt. Wir waren in eine Fallegeraten und den Folterknechten hilflos ausgeliefert. Für so etwas war ich nicht ausgebildet. Was auch immer sie von uns erfahren oder wozu sie uns bringen wollten   – ich würde es ihnen geben. Allerdings hatte ich keine Idee, was das sein konnte. Garry wahrscheinlich umso mehr. Istanbul war eine Drehscheibe der verschiedensten Kulturen und Interessen. Hier tummelten sich neben den westlichen die arabischen Geheimdienste und der israelische Mossad, die Russen ebenso wie die Chinesen, von den Iranern und den Nordkoreanern ganz zu schweigen. Hoffentlich hatte Garry nicht die Absicht, den Helden zu spielen.
    »Was soll das?«, heulte Garry. Eines seiner Gelenke knackte, als würde ein mittelgroßer Ast abbrechen.
    »Sag’s ihnen! Was immer sie wissen wollen.«
    Aber Garry redete nicht mehr. Schmerztränen liefen über sein gerötetes Gesicht und kullerten in den Mund, der stumm auf- und zuklappte.
    »Denken Sie, meinem Kollegen tut das nicht weh?«, fragte
das Gerippe
. »Denken Sie, er hat keine Seele?«
    Was?
    »
Heute gehe ich zum Monster mit den Wahnsinnspranken.
«
    Das hatte ich drei Stunden zuvor getwittert.
    »Wieso   …«
    »Eine Bekannte von mir, Dozentin an der Universität, ist Follower von Ihnen.«
    Oh Scheiße!
    »
Säh cool aus, wenn man ihm aus seinem Brusthaar einen Zopf flechten würde.
Stand das nicht auf Ihrer Facebook-Seite?«
    »Sie sind bei Facebook?«
    »Warum nicht? Es ist keine zwingende Voraussetzung für einen Tellak, aus Ostanatolien zu stammen und Analphabet zu sein. Diesen Sit-, Up- und Okay?-Scheiß mache ich nur, weil es den Touristen gefällt.«
    Das Gerippe
hatte jetzt beide Unterschenkel in der Mangel und kreuzte sie über meinem Rücken. Nebelschwaden verengten meinen Blick bis auf einen Tunnel in der Mitte. Ich schloss die Augen und sah Sterne.
    »Und mich nennen Sie
das Gerippe
. Finden Sie das witzig?«
    Er ließ von meinen Beinen ab und klatschte mir noch einmal kräftig auf den Rücken. »Aber Ihr Freund ist auch nicht besser. Er macht sich allerdings nicht nur über uns lustig, sondern auch über Sie. Haben Sie nicht gelesen, wie er Sie in den Botschaftsdepeschen bezeichnet, die Wikileaks veröffentlich hat?
Blondie, die dumme deutsche Null.
Wirklich ein echter Kumpel.« Ich spürte, wie sich seine Hände in meinem Nacken festkrallten. Ein heiseres Kichern sickerte in mein Bewusstsein. »Stimmt es, dass euer Außenminister nur mit seinen Kuscheltieren einschlafen kann?«
     
    Ich schaffte es noch bis in den Vorraum, dann brach ich zusammen. Garry ging es nicht ganz so gut, er musste aus dem Hamam getragen werden.
    Nach einer Stunde mit kalten Umschlägen, mehreren Flaschen Wasser, einigen Gläsern Tee und einer halben Packung Schmerztabletten hatten wir uns so weit erholt, dass wir uns eigenhändig anziehen konnten. Noch ein wenig wackelig auf den Beinen stolperten wir in die Istanbuler Altstadt hinaus, eine frische Abendbrise wehte vom Marmarameer herüber.
    Garry hängte sich auf meine Schulter. »Das war ziemlicher Bullshit, oder?«
    »Ja.

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