So sinnlich wie dein Kuss
„Isst du das noch?“
Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Schüssel, und sie lächelte.
„Äh, nein. Ich habe keinen Hunger.“
„Sicher? Du weißt, dass wir einen Flug ohne Bordservice haben.“
„Macht nichts.“
„Irgendwie siehst du nicht gut aus.“
Sie seufzte. „Also gut. Ich gebe es zu: Ich habe ein Problem mit kleinen Flugzeugen.“
„Unsere Maschine fasst fünfzig Passagiere. So klein ist das nicht. Und wenn es dir hilft, kann ich ja deine Hand halten. Ich pass schon auf dich auf.“ Dabei sah er sie mit einem Blick an, der mehr versprach als bloßes Händchenhalten.
„Danke, ich schaff das schon. Vielleicht sind es auch mehr die Tage mit dir, die mir Angst machen.“
Sie stand auf und stellte ihre Schale auf ein leeres Tablett am Ende des Büfetts.
Judd erhob sich ebenfalls und stellte sich ihr in den Weg.
„Aber warum denn?“ Er strich ihr mit dem Finger über die Unterlippe. „Glaubst du vielleicht, dass wir uns wieder küssen? So wie in Adelaide?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Wirklich nicht?“, fragte er sanft und beugte er sich näher zu ihr. „Ich schon. Und ich freue mich schon sehr auf das nächste Mal.“
„Es wird kein nächstes Mal geben“, sagte sie eisig und drängte sich an ihm vorbei.
Zufrieden lächelnd sah er ihr nach. Oh ja, die nächsten Tage versprachen, interessant zu werden.
Anna rannte die Treppe hoch in ihr Zimmer. Sie verschloss die Tür hinter sich, als würde sie das vor den Gefühlen schützen, die Judd Wilson in ihr auslöste. Sie presste die Hand an die Brust und spürte ihr Herz rasen.
Er meint es nicht ernst! sagte sie sich. Er spielt nur mit mir!
Nein, sie wollte nicht, dass dieser Kuss sich wiederholte.
Aber eine leise innere Stimme sagte ihr, dass das nicht stimmte.
Sie seufzte und schüttelte den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. Dann schaute sie nochmals den Inhalt ihres Koffers durch. Ja, sie hatte alles, was sie brauchte. Lauter unaufdringliche und praktische Sachen, kein einziges weit ausgeschnittenes T-Shirt und keinen kurzen Rock …
Damit wollte sie ausschließen, dass äußere Reize Judd Wilson anstachelten. Allerdings würde das gar nichts nützen, das musste sie sich eingestehen. Obwohl sie sich schon seit Tagen ausgesprochen dezent kleidete, waren ihr mehr als einmal seine bewundernden Blicke aufgefallen, die ihre weiblichen Rundungen streiften, wie damals seine rauen Hände in der ersten Nacht in Adelaide …
Beim Gedanken daran stöhnte sie unwillkürlich auf. Sie ließ die Hand über ihre Brüste gleiten und spürte die aufgerichteten Spitzen.
Da begriff sie: Leugnen war zwecklos. Dieser Mann hatte eine ganz unglaubliche Wirkung auf sie.
Sex. Es konnte nur um Sex gehen. Schließlich war Judd ein attraktiver Mann. Sie musste sich aus seinem Bann befreien, sich mit neuen Leuten treffen. Vielleicht sollte sie mit dem Kollegen ausgehen, der sich das schon lange wünschte. Vielleicht wurde sie auf diese Art die fast schon schmerzhafte Sehnsucht nach Judd Wilson los. Sobald sie von diesem Trip wieder zurück waren, würde sie sofort ein Date vereinbaren.
6. KAPITEL
Am Donnerstagabend betrat Anna mit Judd das Hotel in Nelson. Sie fühlte sich ziemlich erschöpft. Um zwei Uhr nachmittags waren sie gelandet und sofort mit ihrem Mietwagen zu den ersten beiden Weingütern gefahren.
Die Verhandlungen waren gut gelaufen, und Nicoles Traum stand kurz vor der Verwirklichung. Anna verdrängte den Gedanken, dass die Freundin die Früchte ihrer Arbeit nun nicht mitbekam. Das ließ sich leider nicht ändern, denn Nicole hatte unmissverständlich klargemacht, dass sie mit dem Familienbetrieb und ihrem Vater nichts mehr zu tun haben wollte.
Das tat weh, aber sie respektierte Nicoles Entscheidung.
Müde rieb sie sich die Augen. Zurzeit schienen sich alle Konstanten in ihrem Leben aufzulösen.
Da spürte sie Judds Hand auf ihrem Arm. „Geht es dir gut?“
Judd. Er war überall. Immer in ihrer Nähe. Zu nah und gleichzeitig zu fern. Er beherrschte ihre Gedanken, ihre Träume …
Irgendwann im Lauf der Woche hatte sie angefangen, sich auf ihn zu verlassen. Er war ein Mann, der die Dinge im Griff hatte. Selbst Charles war inzwischen von seiner Kompetenz beeindruckt.
Sie musste es schaffen, sich von dem Zauber zu befreien, den er auf sie ausübte. Wütend betrachtete sie seine Hand, die sich so wunderbar warm anfühlte. „Du kannst mich loslassen. Ich kippe schon nicht um.“
„Natürlich nicht. Hier ist dein Schlüssel.
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