So soll er sterben
Hinter ihnen gingen die Fahrstuhltüren auf, und zwei ziemlich lustlos wirkende Uniformierte erschienen, je ein Klemmbrett in der Hand.
»Zum Glück die letzte Etage«, brummelte einer. Er entdeckte Siobhan und Rebus. »Wohnen Sie hier?«, fragte er und zückte automatisch seinen Stift, um ihre Namen auf seiner Liste zu notieren.
Rebus blickte Siobhan an. »Anscheinend sehen wir schäbiger aus, als ich gedacht habe.« Dann, an den Uniformierten gewandt: »Wir sind vom CID, mein Sohn.«
Der andere Uniformierte quittierte die Fehleinschätzung seines Kollegen mit einem Schnauben. Er klopfte bereits an der ersten Wohnungstür. Rebus hörte drinnen aufgebrachte Stimmen. Die Tür wurde aufgerissen.
Der Mann war bereits auf hundertachtzig. Seine Frau stand hinter ihm, die Fäuste geballt. Als er die Polizisten sah, verdrehte er die Augen. »Ihr Typen habt mir gerade noch gefehlt.«
»Wenn Sie sich bitte beruhigen würden, Sir…«
Rebus hätte dem jungen Constable den Rat geben können, dass man mit einer wandelnden Bombe anders umgehen musste; man sollte ihr niemals sagen, was sie war.
»Beruhigen? Sie haben gut reden, Freundchen. Ihr seid wegen dem Kerl hier, der umgebracht wurde, stimmt’s? Hier draußen schreien Leute laut um Hilfe, Autos brennen, andauernd stolpert man über Junkies… Aber euer Verein lässt sich nur dann blicken, wenn einer von
denen
mal was abkriegt. Nennen Sie das Gerechtigkeit?«
»Die haben es nicht anders verdient«, fauchte seine Frau. Sie trug eine graue Jogginghose und ein dazu passendes Kapuzenshirt. Allerdings sah sie nicht besonders sportlich aus.
»Dürfte ich Sie daran erinnern, dass es um einen Mord geht?« Die Wangen des Constables waren rot angelaufen. Rebus beschloss einzugreifen.
»Detective Inspector Rebus«, sagte er und zeigte seinen Dienstausweis vor. »Wir tun hier nur unsere Arbeit, und wir wären Ihnen äußerst dankbar, wenn Sie uns unterstützen würden.«
»Und was haben wir davon?« Die Frau hatte sich neben ihrem Mann aufgepflanzt, und zusammen füllten sie den Türrahmen mehr als aus. Es war, als hätte der Streit zwischen ihnen nie stattgefunden – Seite an Seite gegen den Rest der Welt.
»Das Gefühl, verantwortungsvolle Bürger zu sein«, antwortete Rebus. »Sie würden etwas Gutes für Ihre Nachbarschaft tun. Und beunruhigt es Sie denn gar nicht, dass da draußen ein gefährlicher Mörder frei herumläuft?«
»Wer immer das auch ist, auf uns hat er’s nicht abgesehen.«
»Von mir aus kann er so viele von denen umlegen, wie er will. Vielleicht hauen sie dann ab«, bekräftigte ihr Gatte.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein«, murmelte Siobhan. Sie hatte wahrscheinlich nicht beabsichtigt, dass die Eheleute es hörten, aber das hatte nicht geklappt.
»Und wer ist die Tussi da?«
»Die Tussi ist meine Kollegin«, erwiderte Rebus. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu…« Er wirkte plötzlich um einiges größer, und die beiden hörten tatsächlich gut zu. »Wir können das hier auf die nette oder auf die unangenehme Tour machen – Sie haben die Wahl.«
Der Mann musterte Rebus. Seine Schultern entspannten sich ein wenig. »Wir wissen überhaupt nichts«, sagte er. »Zufrieden?«
Die Frau schnaubte. »So wie der sich aufgeführt hat, wundert es mich, dass das nicht schon früher passiert ist…« Sie brach ab, als der wütende Blick ihres Mann sie traf.
»Blöde Kuh«, schimpfte er leise. »Jetzt werden wir die Typen gar nicht mehr los.« Erneut fiel sein Blick auf Rebus.
»Sie haben die Wahl«, wiederholte Rebus. »Entweder Wohnzimmer oder Polizeirevier.«
Ehemann und Ehefrau antworteten im Chor: »Wohnzimmer.«
Irgendwann gab es in dem Raum nur noch Stehplätze. Die beiden Constables hatte man mit dem Auftrag weggeschickt, auch noch die restlichen Hausbewohner zu befragen, dabei jedoch kein Sterbenswort über die Sache zu verraten.
»Wahrscheinlich hat das nur zur Folge, dass bei unserer Rückkehr die gesamte Wache Bescheid weiß«, hatte Shug Davidson gemeint, der, assistiert von Wylie und Reynolds, inzwischen die Befragung leitete. Rebus hatte Davidson beiseite genommen.
»Sorgen Sie dafür, dass Rat-Arse die beiden befragt.« Davidsons Blick hatte nach einer Erklärung verlangt. »Sagen wir mal so: Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden sie ihm gegenüber die Wahrheit sagen. Ich glaube, die drei stimmen in gewissen gesellschaftspolitischen Fragen überein. Mit Rat-Arse wird es keine große Diskrepanz zwischen ›uns‹ und ›denen‹
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