So wahr uns Gott helfe
eröffnet hatte. Dann wünschte ich ihm eine gute Nacht und stieg hinten in den Lincoln.
Auf der Fahrt nach Hause arbeitete es in mir. Patrick hatte inzwischen ein Gespür für meine Stimmungen entwickelt und schien zu wissen, dass mir im Moment nicht nach Smalltalk war. Er ließ mich arbeiten.
Ich saß gegen die Wagentür gelehnt, den Blick nach draußen gerichtet, ohne dabei die vorbeiziehende Neonwelt wirklich wahrzunehmen. Ich dachte über Jerry Vincent und die Abmachung nach, die er mit einer unbekannten Partei getroffen hatte. Es war nicht schwer zu verstehen, wie das Ganze gedeichselt worden war. Eine ganz andere Frage war dagegen, wer es gedeichselt hatte.
Die Geschworenen wurden auf mehreren Ebenen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Das trug dazu bei, die Integrität der jeweiligen Jurys und die Einbeziehung aller Gesellschaftsschichten zu gewährleisten. Das ursprüngliche Kontingent aus Hunderten von Bürgern wurde nach einem Zufallsgenerator aus Wählerverzeichnissen, Grundbucheintragungen und Kundenkarteien der städtischen Versorgungsbetriebe ausgewählt. Aus diesem riesigen Pool wurden dann, wieder nach dem Zufallsprinzip, die Kandidaten für einen bestimmten Prozess ausgewählt – diesmal von einem Computer des Gerichts. Diese Kandidatenliste ging daraufhin an den Richter des jeweiligen Prozesses, und beim voir dire wurden die ersten zwölf auf dieser Liste für das Auswahlverfahren auf die Geschworenenbank gerufen. Die Reihenfolge der Namen oder Nummern auf der Liste wurde ebenfalls nach dem Zufallsprinzip von einem Computer bestimmt.
Elliot hatte mir erzählt, dass nach der Festlegung des Prozesstermins eine unbekannte Partei an Jerry Vincent herangetreten war und ihm vorgeschlagen hatte, einen Schläfer in die Jury einzuschleusen. Einzige Bedingung war, dass es zu keiner zeitlichen Verschiebung kommen durfte. Denn wurde der Prozess verschoben, wurde automatisch eine neue Jury gewählt. Das alles konnte nur heißen, dass diese unbekannte Partei Einfluss auf alle Ebenen des vermeintlich dem Zufall unterliegenden Geschworenenauswahlprozesses hatte – auf die Einbestellungen zum Geschworenendienst in einer bestimmten Woche in ein bestimmtes Gericht, auf die Bestimmung der potenziellen Kandidaten für den Prozess und auf die Auswahl der ersten zwölf Geschworenen, die auf der Bank Platz nahmen.
Sobald der Schläfer auf der Geschworenenbank Platz genommen hatte, lag es an ihm, dafür zu sorgen, dass er auch dort blieb. Die Verteidigung wusste, dass sie ihn nicht mit einer ihrer Ablehnungsmöglichkeiten streichen lassen durfte. Und was die Anklage anging, musste sich der Schläfer den Anschein verleihen, auf ihrer Seite zu stehen, um nicht ausgesondert zu werden. Eine durchaus zu lösende Aufgabe, solange der Prozesstermin nicht verschoben wurde.
Es so aufzudröseln verhalf mir zu einem besseren Verständnis der Manipulation und ihrer Hintermänner. Und mir wurde nun erst so richtig klar, in welchen ethischen Konflikt ich damit geraten war. Elliot hatte mir beim Abendessen mehrere Straftaten gestanden. Aber ich war sein Anwalt, weshalb diese Offenbarungen unter die anwaltliche Schweigepflicht fielen. Dieser Pflicht entbunden werden konnte ich nur, wenn mir infolge meiner Kenntnisse Gefahr drohte, oder wenn ich Kenntnis von einer Straftat hatte, die geplant, aber noch nicht begangen worden war. Ich wusste, dass Vincent jemanden bestochen hatte. Diese Straftat war bereits begangen worden. Doch die Manipulation der übrigen Geschworenen durch den Schläfer war noch nicht erfolgt. Zu dieser Straftat käme es erst, wenn sich die Geschworenen zur Beratung zurückzogen, weshalb ich verpflichtet war, sie anzuzeigen. Offensichtlich wusste Elliot nichts von dieser Befreiung von der anwaltlichen Schweigepflicht, oder er glaubte, das Risiko, so zu enden wie Jerry Vincent, würde mich von diesem Schritt abhalten.
Während ich mir das alles durch den Kopf gehen ließ, kam ich auf eine weitere Ausnahme. Ich müsste die beabsichtigte Manipulation der Geschworenen nicht anzeigen, wenn ich sie verhindern konnte.
Ich richtete mich auf und blickte mich um. Wir erreichten gerade den Sunset West Hollywood. Vor mir tauchte ein vertrautes Schild auf.
»Halt doch mal bei Book Soup, Patrick. Ich möchte nur mal kurz reinschauen.«
Patrick hielt vor der Buchhandlung am Straßenrand. Ich stieg aus, betrat den Laden und ging nach hinten zu den Regalen. Obwohl ich den Laden sehr mochte, war ich nicht hier, um etwas zu
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