Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
vermutlich versuchen, die Zahlung zu stornieren.«
    »Geht in Ordnung.«
    »Was gibt es in Sachen Finanzen sonst noch? Wenn hunderttausend von Elliot sind, von wem ist der Rest?«
    Lorna schlug eines der Rechnungsbücher auf, das in ihrem Schoß lag. Für jeden Dollar auf einem Treuhandkonto muss genau vermerkt sein, von welchem Mandanten er dort eingezahlt wurde. Ein Anwalt muss jederzeit genau angeben können, wie viel von den Vorschusszahlungen eines Mandanten auf das Spesenkonto umgebucht und ausgegeben wurde und wie hoch die Reserven auf dem Treuhandkonto sind. Einhunderttausend Dollar auf Vincents Treuhandkonto waren für Walter Elliots Prozess vorgemerkt. Demnach wären für die restlichen laufenden Fälle lediglich neunundzwanzigtausend Dollar eingezahlt worden. In Anbetracht der Aktenstapel, die wir aufgetürmt hatten, als wir die Aktenschränke nach aktuellen Fällen durchforstet hatten, war das nicht gerade viel.
    »Das sind die schlechten Nachrichten«, sagte Lorna. »Wie es aussieht, gibt es nur fünf oder sechs andere Fälle, für die etwas auf das Treuhandkonto eingegangen ist. Was die übrigen angeht, wurden die Gelder entweder bereits aufs Spesenkonto umgebucht und ausgegeben, oder die Mandanten schulden der Kanzlei Geld.«
    Ich nickte. Das war keine gute Nachricht. Es sah mehr und mehr danach aus, als hätte Jerry Vincent bei den meisten Fällen sein Budget bereits überzogen. Sprich, er war in einer Tretmühle gefangen und hatte, um den Geldfluss nicht versiegen zu lassen, ständig neue Fälle an Land ziehen müssen, um die Kosten für die laufenden tragen zu können. Walter Elliot war vermutlich der Mandant gewesen, der diesem Missstand Abhilfe schaffen sollte. Sobald seine hunderttausend freigegeben worden wären, hätte das Vincent Luft verschafft. Zumindest für eine Weile. Aber dazu war es nicht mehr gekommen.
    »Wie viel Mandanten hatten Teilzahlungspläne?«, fragte ich.
    Lorna zog erneut die Unterlagen in ihrem Schoß zu Rate.
    »Er hat zwei, die schon vor ihren Verhandlungen Zahlungen leisten sollten. Aber beide sind deutlich im Verzug.«
    »Wie heißen sie?«
    Sie musste eine Weile in den Unterlagen kramen, bevor sie mir Auskunft geben konnte.
    »Einer heißt Samuels, der andere Henson. Beide sind mit zirka fünftausend im Verzug.«
    »Genau aus diesem Grund nehmen wir immer nur Kreditkarten oder Bares.«
    Damit bezog ich mich auf meine eigenen Geschäftspraktiken. Ich hatte schon lange aufgehört, auf Kredit zu arbeiten. Ich verlangte nicht rückzahlbare Barbeträge. Und ich akzeptierte auch Plastikgeld, aber erst, nachdem Lorna die Karte durchgezogen und eine Zahlungseingangsbestätigung erhalten hatte.
    Ich studierte die Notizen, die ich mir bei der raschen Durchsicht des Terminkalenders und der Akten gemacht hatte. Sowohl Samuels als auch Henson standen auf einer Extraliste, auf der ich alle Mandanten vermerkt hatte, die ich möglichst bald loswerden wollte. Die Auswahl hatte ich aufgrund der Anklagepunkte und der jeweiligen Beweislage getroffen. Wenn mir an einem Fall irgendetwas nicht behagte, egal aus welchem Grund, landete er auf der Extraliste.
    »Kein Problem«, sagte ich. »Wir stoßen sie ab.«
    In Samuels Fall ging es um Totschlag unter Alkoholeinfluss, und Henson war ein schwerer Diebstahl in Zusammenhang mit Drogenbesitz. Der Henson-Fall erregte kurz mein Interesse, weil Vincent seine Verteidigungsstrategie darauf aufgebaut hatte, dass sein Mandant von verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln abhängig war. Er wollte Mitgefühl für den Angeklagten wecken und die Vorwürfe gegen ihn dahingehend abbiegen, dass in erster Linie der Arzt für die Folgen von Hensons Abhängigkeit verantwortlich sei, weil er diesem zu hohe Dosen des Mittels verschrieben hatte. Patrick Henson, so Vincents Argumentation, war ein Opfer, kein Krimineller.
    Mit dieser Strategie war ich bestens vertraut, weil ich in den vergangenen zwei Jahren immer wieder selbst darauf zurückgegriffen hatte, um mich von den zahlreichen Fehltritten freizusprechen, die ich mir in meiner Rolle als Vater, Ex-Mann und Freund gegenüber den Menschen geleistet hatte, die mir am meisten bedeuteten. Aber Henson kam auf den Hundehaufen, wie ich ihn nannte, weil diese Strategie meiner Einschätzung nach nicht aufgehen würde und ich nicht bereit war, damit vor Gericht zu ziehen und sie durchzufechten.
    Lorna nickte und machte sich auf einem Zettel Notizen zu den beiden Mandanten.
    »Und wie viel Fälle kommen sonst noch auf den

Weitere Kostenlose Bücher