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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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gegen zwei Uhr im Trainingsanzug hinter dem Haus antreten. Der Föhn hatte den Schnee pappig werden lassen. Die LMF trat vor die Kinder und sagte: »Ihr habt schon feststellen können, dass die Jagdflugzeuge unserer Feinde manchmal im Tiefflug über den Berg kommen. Meist schnell und unvermutet. Bisher haben sie noch nicht auf Maria Quell geschossen. Aber das kann sich bald ändern. Was sollen wir dann machen?«
    Ein Kind antwortete: »Luftschutzraum.«
    »Wir stellen uns vor, wir sind dann gerade mit dem Schlitten am Hang«, sagte Heide.
    »Weglaufen.«
    »Die sind viel schneller als wir«, rief Ruth.
    »Also?«
    »Wir suchen eine Deckung.«
    »Wir verstecken uns hinter einem Baum.«
    »Wir …«
    Die LMF sagte: »Heute wollen wir trainieren, wie wir uns schützen können. Wir gehen den Weg zum Haus der Salms und weiter zum Wald hinauf.«
    Die Kinder wussten, dass sie nicht einfach losrennen durften, und blieben in Reih und Glied stehen.
    »Ohne Tritt marsch!«, kommandierte die LMF.
    Sie trotteten über die Landstraße. Plötzlich rief die LMF: »Tiefflieger! Deckung!«
    Einige Mädchen blieben einfach stehen. Andere warfen sich in den mit Schnee gefüllten Straßengraben.
    »Seht ihr«, lobte die LMF und zeigte auf die, die im Graben lagen, »viele machen es richtig. Ihr aber, die ihr da dumm auf der Straße herumsteht, ihr wäret im Ernstfall eine leichte Beute für die Flieger.«
    Kurz darauf kam wieder der Befehl: »Tiefflieger! Deckung!«
    Immer noch zögerten einige, sich in den nassen Schnee zu werfen, aber nach ein paar weiteren Übungen scheute sich niemand mehr, das zu tun, was die LMF von ihnen erwartete. Bald waren sie durchnässt. Auf dem Weg den Waldrand entlang brauchte die LMF keine besonderen Anweisungen mehr zu geben. Innerhalb weniger Sekunden nach dem Warnruf »Tiefflieger« waren die Kinder hinter den Bäumen verschwunden.
    Als hätte die LMF sie bestellt, donnerten plötzlich drei Jagdflugzeuge über den Berg. Jetzt warfen sich nicht nur die Kinder in den Straßengraben, auch die LMF selbst suchte Schutz im Schnee.
    »Das waren Lightnings«, rief ein Mädchen.
    »Die haben ja gar nicht auf uns geschossen«, sagte Ruth erleichtert, doch es schwang auch ein wenig Enttäuschung in ihrer Stimme mit.
    Später erzählte Ruth Anna, sie habe auf dem Rücken gelegen und den Piloten in der Flugzeugkanzel sehen können.
    »Dir wird es bald so gehen wie mir«, sagte Anna. »Überall halte ich Ausschau nach einer Deckung, in die ich springen kann, wenn Tiefflieger kommen. Du siehst die ganze Umgebung mit anderen Augen.«
    »Mit Hasenaugen, Anna.«
    »Was meinst du damit, Ruth?«
    »Die Hasen ducken sich auch sofort weg, wenn ein Jäger auftaucht.«
    Zweimal schon war Dr. Scholten an der Poststelle im Dorf vorbeigegangen. Er trug den Brief nach Oberhausen in der Tasche. Eindringlich hatte er darin die Situation des KLV-Lagers geschildert und darauf gedrängt, man sollte Lkws schicken, um die Mädchen abzuholen. Er sehe darin die einzige Möglichkeit, die Schülerinnen noch rechtzeitig in die Heimat zurückzubringen. Die Reichsbahn habe ihren Zugverkehr drastisch eingeschränkt. Wie bekannt geworden sei, dürften ab sofort weder Eilzüge noch D-Züge im Deutschen Reich verkehren. Außerdem sei die ungarische Hauptstadt Budapest offenbar inzwischen fest in russischer Hand und damit Wien und auch Maria Quell nicht mehr weit von der Front entfernt.
    Dr. Scholten hatte lange nachgedacht, ob er den Brief überhaupt abschicken sollte und wer wohl der richtige Adressat dafür sei. Die Schulbehörde, das wusste er sicher, hätte das Schreiben gar nicht zur Kenntnis genommen, weil der Dienstweg nicht eingehalten worden war. Der Dienstweg, das wäre in diesem Falle zunächst der Direktor gewesen. Was Aumann von einem solchen Brief hielt, das hatte er ihm deutlich genug gesagt. Er würde das Schreiben zwar abschicken; denn das war in den Vorschriften so festgelegt, aber seine Stellungnahme wäre ganz sicher eindeutig gewesen. Sie hätte wohl kaum anders gelautet als »Dr. Scholten, mein Stellvertreter, ist ein notorischer Schwarzseher«. Der einzige Mensch, der ihm als Adressat einfiel, war der Jurist Dr. Meyer. Der war vor 1933 im Zentrum, in der katholischen Partei, gewesen. Ihm waren damals Verbindungen zu den großen Industriebetrieben in Oberhausen nachgesagt worden. Vielleicht hatte er seinen Einfluss nicht ganz verloren. Er war Mitglied des Kirchenvorstands und hatte Dr. Scholtens Chor gelegentlich

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